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Schützenhilfe gegen die Bananen-Hierarchie

Die „AG Nicaragua-Bananen“ wendet sich gegen Handelsstrukturen und kann doch nicht auf sie verzichten / Konsumentendruck wie beim Nestle-Boykott?  ■  Von Christine Mattauch

Berlin (taz) - „Da gibt es eine richtige Bananen -Hierarchie“, sagt Rudi Pfeifer, „ganz oben steht Chiquita, ganz unten die Nica-Banane.“ Warum das so ist, kann Pfeifer, der das Regionalbüro Süd der „Arbeitsgemeinschaft Nicaragua -Bananen“ (AG Nica-Bananen) leitet, ganz genau erklären: „Die Händler hier wollen eine Billig-Banane. Die läßt sich nämlich als Alternative zu den teuren anderen gut verkaufen.“ Und weil die Nica-Banane kleiner ist als andere Bananen, und weil sie kaum bekannt ist, funktioniert diese Strategie hervorragend, wie Pfeifer weiß: Gerade in den Filialen der großen Supermärkte lassen sich die kleinen, billigen Bananen sehr schnell verkaufen.

Der Bananen-Markt ist hart umkämpft. Drei multinationale Konzerne - Del Monte Corp. („Del Monte“), United Brands Co. („Chiquita“) und Standard Fruit Co. („Dole“) - ringen um Marktanteile. Außenseiter wie Nicaragua haben es da schwer. Die drei Großen beherrschen 70 Prozent des Weltmarktes.

Nicaragua ist bis heute der einzige Staat, der seine gesamte Bananen-Produktion selbständig vertreibt und vermarktet. In den siebziger Jahren versuchten sieben Erzeugerländer, sich aus den Konzernstrukturen zu lösen. Sie gründeten eine „Union bananenexportierender Länder“ (UPEB) und beschlossen eine Exportsteuer für ihre Bananen. Durch die Machtstellung und den Druck der Konzerne wurde diese Steuer jedoch von kaum einem Land wirklich erhoben. Auch die zur gleichen Zeit gegründete gemeinsame Vermarktungsgesellschaft Comunbana war wenig erfolgreich; 1981 etwa konnte sie gerade ein einziges Prozent der Bananenausfuhr der UPEB-Länder vermarkten. Als dann noch der neu erschlossene Markt Jugoslawien wegen der Zahlungsunfähigkeit des Landes zusammenbrach, machte Comunbana endgültig dicht.

In Nicaragua kaufte bis zum Sturz des Diktators Somoza der Konzern Standard Fruit die Bananen auf. 1983 zog er sich wohl auf Druck der US-Regierung - aus dem Land zurück. Zunächst versuchte Nicaragua, per Direktimport auf den US -amerikanischen Markt zu kommen - ein ohnehin schwieriges Unterfangen. Und als die Reagan-Regierung 1985 das Handelsembargo gegen Nicaragua verhängte, schied diese Möglichkeit völlig aus. Blieb nur das weit entfernte Europa.

Die AG Nica-Bananen („Wenn schon Bananen, dann aus Nicaragua“) leistet der Nica-Banane seit geraumer Zeit Schützenhilfe. Bis zum Januar dieses Jahres lief die Kampagne eher unkoordiniert und unregelmäßig durch einzelne Gruppen. Dann wurden mit Unterstützung der evangelischen Kirche zwei Regionalbüros eingerichtet. Sie organisieren jetzt Einkauf, Transport und Lagerung der Nica-Bananen. Um den Verkauf vor Ort kümmern sich weiterhin kleinere Gruppen, insgesamt 270 in der ganzen Bundesrepublik. Sie verteilen die gelben Früchte an Dritte-Welt- und Naturkostläden, an Mensen und Altersheime.

Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist es, die Nica-Banane aus dem Netz der gewerblichen Händler herauszuziehen. Darum geht es: Weil die Bananen verderblich sind, nicht lange gelagert werden können, werden sie verkauft, sobald sie im europäischen Hafen angekommen sind. Da warten die Aufkäufer häufig bis zum letzten Moment, um nur noch Schleuderpreise zahlen zu müssen. Im Supermarkt findet man die Billig -Bananen dann als Super-Sonderangebote wieder. Den Verbraucher mag das freuen - doch Nicaragua kann mit dem Erlös zuweilen kaum die Transportkosten decken.

Die Kampagne versucht diesem Spekulantentum entgegenzuwirken, indem sie die Bananen zum festen Preis von 2,70 Mark pro Kilo verkauft. Im Durchschnitt gehen davon rund 1,40 Mark als Solidaritätsbeitrag nach Nicaragua. Das Geld fließt in einen europäischen Fonds - auch in Belgien und der Schweiz arbieten Bananen-Gruppen - und von dort aus zu den nicaraguanischen Bananen-Plantagen. Finanziert wurde bislang zum Beispiel ein Notfallauto für die medizinische Versorgung und der Ausbau einer Gesundheitsstation. Weil die Arbeitsgemeinschaft eine Großhandelsstufe ausschaltet, sind die Bananen für den Käufer trotz des Soli-Beitrags von 1,40 Mark allerdings nur etwa 80 bis 90 Pfennig teurer als beispielsweise ein Kilo der edlen Chiquitas.

Vom spekulativen Einkauf hat sich die Arbeitsgemeinschaft bislang aber noch nicht abgekoppelt. Sie ersteht die Bananen bei Händlern, die im belgischen Hafen Zeebrugge noch die übliche Preisdrückerei betreiben. Rudi Pfeifer gibt zu, daß das ein Kritikpunkt ist, denn auf diese Weise unterstützt die Arbeitsgemeinschaft teilweise genau die Strukturen, die sie kritisiert. Pfeifer: „Wir müssen dringend direkte Kanäle zur nicaraguanischen Vermarktungsstelle herstellen.“

Transport und Lagerung werden aber wohl auf jeden Fall in kommerzieller Hand bleiben. Wenn die noch grünen Bananen mit speziellen Obst-Transportern in die Bundesrepublik gebracht worden sind, müssen sie erst einmal in eine Reiferei. Die Arbeitsgemeinschaft sei finanziell nicht in der Lage, ein eigenes Transport- und Reifereien-Netz aufzubauen und zu unterhalten, erklärt Pfeifer. „Die Mengen, die wir verkaufen, sind dafür zu gering.“ Angesichts des relativ geringen Absatzes dürfte Lutz Schröders Hoffnung, daß über die AG „ein Konsumentendruck entsteht, so ähnlich wie beim Nestle-Boykott“, wohl eine Hoffnung bleiben.

Lutz, Geologiestudent, organisiert den Verkauf der Nica -Bananen in Berlin. Das heißt: Er holt die Bananen aus der Reiferei und beliefert die Endabnehmer. Die klagen zuweilen über die mangelnde Qualität von Lieferungen: Braune und matschige Bananen sind da schon mal mit dabei. „Ein großes Problem“, meint Lutz. Ursache ist die mangelnde Sorgfalt der Plantagenarbeiter. Wenn die Bananen beim Waschen und Verpacken gequetscht werden, wenn sie Risse oder Druckstellen bekommen, werden sie schnell weich und unansehnlich. Die Arbeiter kümmert das wenig. Lutz: „In Nicaragua ist die Arbeitsmoral nicht besonders gut. Nach zehn Jahren Krieg sind die Leute einfach demotiviert.“ Motiviert sind hingegen die solidarischen KundInnen: Im ersten Halbjahr 1988 wanderten rund 120.000 Kilogramm Nica -Bananen in ihre Einkaufsbeutel.

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