: ZUM STEINERWEICHEN
■ Das „Wasser-Stein-Objekt“ von Peter Fromlowitz und Michael Ponto im Hof des Schul- und Begegnungszentrums der Jugendstrafanstalt Plötzensee
Vor zwei Jahren gewannen die beiden oben Genannten den Wettbewerb, ausgestattet mit den Alibigeldern für Kunst am Bau in Höhe von etwa 300.000 Mark, die bei der Errichtung des Begegnungszentrums anfielen. Ihre Aufgabe war dabei zwar nicht thematisch begrenzt wie in anderen Ausschreibungen, allerdings war die Verwendung von Wasser gefordert.
Wenn man nun Zweifel hat, ob Kunst am Bau sowieso fragwürdig ist und obendrein auch noch in der erwähnten Einrichtung öffentlichen Rechts, muß man bei Betrachtung des dreieckigen Objekts mit einer Kantenlänge von zehn Metern zu dem Schluß kommen, daß in dem Innenhof der Festung, gebaut für Bewohner, die man nicht herauslassen will, diese „Brunnenanlage“ das Alibi hoch drei ist. Worüber kann man in der großzügigen, fast weiträumigen Hofanlage mit idyllischen Bänken unter Bäumen schon reden, wenn man sich begegnet? Über den Fraß, den man Tag für Tag vorgesetzt bekommt? Über die Eigenschaften der Schließer? Vielleicht über das Wetter? Oder doch besser über Fluchtversuche?
Man kann beim Anblick des Dreiecks auch im Dreieck springen und grübeln über das Wasser, das so harmlos aus den Steinen sprudelt. Man kann sich vorstellen, wie viele Menschen sich darin die Hände in Unschuld waschen können.
Wie viele daran beteiligt waren, bis die etwa 80 Tonnen Marmor aus der Nähe von Carrara, wo grob vorgeschnitten worden ist, hier ihre menschlich gesehen endgültige Position bezogen haben.
Man kann selbstverständlich auch Bezüge zwischen Kunst und Natur herstellen. Nachdenken über den Faltenwurf von Gesteinsschichten und das Wasser, das sich nicht darum kümmert, wenn es den Bach hinunterfließt. Und über Menschen, die beschäftigt sind mit der Quadratur des Kreises, der Beherrschung und Unterwerfung der Natur, und über das gleichschenkelige Dreieck, das noch als „Ruine“ eines unbekannten Objektes durch die erkennbare Symmetrie ästhetischen Reiz ausdrückt. Denn wenn erst einmal die Revolution gekommen und gewonnen ist, die Gefängnisse abgeschafft sein werden, ohne daß das Wasser abgesperrt worden ist, dann wird man immer noch dieses merkwürdige Dreieck aus dunklem Carraramarmor dort aus dem Boden ragen sehen, das Wasser wird weiter plätschern und sich seinen Reim machen auf Freiheitsberaubung. Und wenn die heilige Dreifaltigkeit beschließt, daß die Menschheit endlich genug Unfug im Weltall getrieben hat und uns den Gnadenschuß gibt und irgendwann einmal Besuch von der Vega kommt und nicht ganz zufällig in Berlin Tegel gelandet ist, dann wird der Besuch mit traumwandlerischer Sicherheit über das Dreieck stolpern und auf den Reim des Wassers, das immer noch unerklärlicherweise über das Dreieck fließt, die Antwort wissen.
Qpferdach
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