: IWF: Wechselkursdaten konstruiert
■ Ehemaliger IWF- und Weltbankmitarbeiter wirft Fonds Roßtäuscherei vor / „Auf Tod und Teufel“ Abwertung erzwingen
Die taz bringt heute den zweiten Teil eines Briefes, den der ehemalige Mitarbeiter von Weltbank und IWF, Davison L. Budhoo, zur Erklärung seines Rücktritts an den Direktor des Währungsfonds, Michel Camdessus, schickte (siehe taz von gestern). Die heutige Passage schildert, wie der IWF in Trinidad und Tobago durch willkürliche Festsetzung eines Basisjahres entgegen der tatsächlichen Entwicklung statistisch einen gestiegenen Wechselkurs konstatierte. Damit wollte der Fonds Argumente für die Abwertung des Trinidad- und Tobago-Dollars schaffen. Die Dokumentation wird morgen fortgesetzt (d. Red.).
Noch mehr statistisches Affentheater: effektive Wechselkursrate und Vertragsbedingungen.
Eine Frage: Warum wird 1980 als Referenzjahr für die Berechnung der aktuellen Wechselkursrate und der Terms of Trade herangezogen? Welchen Sinn hat diese Prozedur?
Die Antwort ist einfach - wir mußten einfach so vorgehen. Denn jeder Referenzzeitraum nach 1980 hätte einen Fall der effektiven Wechselkursrate des TT-Dollars (Trinidad- und Tobago-Dollar, d. Red.) bis heute oder bis Mitte 1987 aufgewiesen. Das hätte die letzten Argumente zerstört, mit denen wir die Regierung zu einer Abwertung drängen konnten. Unter diesen Umständen mußten wir auf Tod und Teufel „beweisen“, daß die effektive Wechselkursrate gestiegen sei
-vom vorigen Jahrhundert an, wenn es sein mußte. Glücklicherweise kam das Jahr 1980 dazwischen und rettete unsere Haut.
Bei einem Vergleich dieser Art wäre die wohl aussagekräftigste Vergleichsperiode das Jahr, als die Ölpreise in den einmaligen Strudel gerieten, der im dramatischen Verfall von 1986 kulminierte. Der Beginn dieser Entwicklung war natürlich 1982. Andererseits kann man auch das Jahr unmittelbar vor Beginn des Ölpreisverfalls heranziehen (also 1981), weil dies das letzte Jahr ungeminderter Prosperität war, in dem alle Systeme noch „liefen“ und der Nettokonsum sowie das Netto-Inlandsprodukt noch anstiegen. 1981 als Referenzjahr hätte gezeigt, daß die effektive Wechselkursrate des TT-Dollars bis Juni 1987 um 5 Prozent gefallen ist. Bezieht man sich auf 1982, stürzt sie um über 16 Prozent. Sieht man sich die Wechselkursrate auf reeller Basis an, gibt es also kaum einen Grund für weitere Abwertungen seitens der Regierung.
Die gleiche Überlegung kann auf die Terms of Trade (Verhältnis der Preise der Exporte zu denen der Importgüter, d. Red.) angewandt werden, die einfach eine schicke Art sind, auszudrücken, was alle wissen, zum Beispiel daß der Preis von Öl, das über 80 Prozent des Warenexports von Trinidad-Tobago ausmacht, nach 1981 zunehmend gefallen ist, während die Importpreise etwas stiegen oder relativ stabil blieben. Während der Periode von 1982 bis 1985 (vor der Abwertung) fielen die Terms of Trade um weniger als 10 Prozent, doch 1986 fielen sie um 40 Prozent aufgrund eines Ölpreisverfalls in ähnlicher Größenordnung. Während der letzten beiden Jahre erholten sich die Terms of Trade leicht gegenüber dem Tief von 1986.
Auch große und etwas widersprüchliche Bewegungen in den Terms of Trade, wie sie in Trinidad/Tobago während der letzten Jahre zu beobachten waren, können keinen Grund für weitere Abwertungen darstellen. Andererseits signalisieren sie einen besonderen Bedarf an internationaler Finanzhilfe, und tatsächlich haben wir im Fonds - jedenfalls theoretisch
-eine Einrichtung (Compensatory Financing Facility), die Ländern in einer solchen Notlage ohne größere Vorbedingungen helfen kann. Werden wir Trinidad und Tobago den Zugang zu dieser Einrichtung ermöglichen?
Bisher haben wir immer wieder abgelehnt. Wir sagen ständig: „Wertet erst mal ab und verpflichtet euch, ein Stand-by -Abkommen mit uns einzugehen. Laßt den Werwolf erst mal Blut saugen, bevor irgend etwas auf internationaler Ebene mit euch geschieht.“ Allerdings habe ich den Eindruck, daß der Fonds inzwischen, trotz der Instruktionen in der Projektskizze für den Delegationsbesuch im Juni 1988, seine Politik in dieser Angelegenheit ändern will. (...) Wo wird das alles enden?
Um diesen Teil des Briefes abzuschließen, möchte ich Sie daran erinnern, daß Trinidad/Tobago nur ein Land aus dem Heer der Dritte-Welt-Nationen ist, in denen wir denselben ökonomischen Nonsens durchsetzen, mit den gleichen katastrophalen Konsequenzen für „vor Schmerz schreiende“ Regierungen und Völker, die wir vor uns auf die Knie zwingen, die gebrochen und verängstigt um ein Stück Vernunft und Achtung unsererseits bitten. Aber wir lachen ihnen brutal ins Gesicht, und die Folter geht ungemindert weiter.
Wo wird alles enden? Was tun wir der Welt an?
Wenn der Fonds nur umdenken könnte, Sir! Wenn er sich nur von den Mythen und Illusionen befreien könnte, er sei gut und gerecht. Wenn er über seine wahre Rolle nachdenken könnte, die er dabei spielt, die Welt in neue Abgründe der Schande und des Zynismus zu treiben , in unser Jahrhundert neue Unmoral zu bringen ...
Wir müssen über diese Dinge nachdenken, Sir, denn die Prämisse, auf denen sie ruht - eine mitleidlose, gleichgültige und inhumane Welt -, könnte sich als einer der vielen monumentalen Irrtümer des Fonds herausstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen