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Mehr Lebensfreude

■ In der UdSSR gibt's wieder Alkohol

Der Ärger und der Frust um den Fusel ist vorbei. Der Volkswille hat endlich triumphiert. In langen Schlangen erstehen mußten sich die Sowjetbürger das kostbare Naß, das von den Perestroika-Saubermännern aus dem Verkehr gezogen worden war. Nicht mehr so viel saufen, hieß die Devise. Die Millionen Alkis paßten nicht in die Landschaft der neuen Zeit.

Wenn am Anfang auch viele Frauen froh waren, daß der Alte nicht mehr dauernd im Delirium schwebte, wenn auch in den Betrieben die Arbeitszeit nicht immer in Gelage mündete, wenn auch die Zahl der im Suff Verreckten zurückging, populär hat das Verbot die Reformer nicht gemacht: Der Spitzname „Mineralsekretär“ für „den da oben“ ist dafür nur ein gelinder Ausdruck. Und weil viele auf andere Drogen umgestiegen sind, war die ganze Aktion ein Schlag ins Wässerchen. Noch rechtzeitig hat man gemerkt, daß die Prohibition wie damals in den USA nur neue Probleme schafft. Daß die Idee für das Verbot aus dem Denken des altorthodoxen, wertkonservativen und autoritären Ligatschow und seiner Crew kommt, paßt da ins Bild. Sich von Fundamentalisten weiter gängeln zu lassen, sollte in der Sowjetunion heute niemand nötig haben. Die Perestroika braucht auf den Drink nicht mehr zu verzichten, viele schöne neue Kneipen sind gut fürs Lebensgefühl. Und das bedeutet keineswegs den Weg zurück zu Breschnews Schlendrian.

Erich Rathfelder

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