: Das Weserkraftwerk als Bilderbuch
■ Neues Werbegeschenk der Stadtwerke: Ein Bildband über das abgerissene Industriedenkmal / Kein Wort über den Protest Auch die Protestler werden beschenkt / Initiative bereitet eigene Dokumentation vor
Es kommt nicht alle Tage vor, daß ein Unternehmen mit einer gerade abgerissenen Produktionsstätte Werbung macht. Doch die Bremer Stadtwerke riefen gestern zur Präsentation ihres neuen Werbegeschenkes sogar zur Pressekonferenz. Es handelt sich um einen 120seitigen Bildband zum Weserkraftwerk, dem gründerzeitlichen Industriedenkmal, das kurz vor der Bürgerschaftswahl im vergangenen Jahr der Abrißbirne zum Opfer fiel. Zwar ist das im Bremer Hauschild-Verlag erscheinende Buch ab heute auch für 29,80 Mark im Buchhandel erhältlich, doch Verlag und Stadtwerke schätzten die Absatzchancen realistisch ein und reservierten von der 4.000er Auflage gleich die Hälfte für Public-Relations.
„Wer dieses Buch durchblättert, erlebt etwas, was er beim Besuch des Kraftwerks gar nicht hätte sehen können: 80 Jahre Geschichte im Zeitraffer“, lobte Stadtwerke-Vorstand Günther Czichon das Werk des Designers Gerhard Sell. Ein Jahr lang war er mit seinem Fotoapparat häufiger Besucher des Kraftwerks gewe
sen und „beleuchtet im wahrsten Sinn des Wortes die einst vielgerühmte Anlage in der Weser, ihre Architektur und ihre überschaubare, be-greifbare Technik“, wie im Klappentext gelobt wird.
Weniger bilderreich, eher lapidar fällt das Schlußkapitel des Bremer Wasserkraftwerks aus. „Vor allem aus Gründen des Hochwasserschutzes wurde das Weserkraftwerk am 19. Mai 1987 stillgelegt, in den folgenden Monaten bis auf eine Höhe von +5,00m NN abgetragen und als Notüberlaufschwelle hergerichtet“, lautet der letzte Satz des Text-Teils. Auch im Bild wird der Abriß des Industriedenkmals nicht verborgen. Doch dort werden die gähnenden Löcher, in denen sich einmal die Turbinen für ein Prozent des bremischen Stroms drehten, noch knapper erklärt: „Die Abbrucharbeiten enden mit dem Abbruch des Weserwerk-Gebäudes bis auf +5,00m NN.“
Mit „+5,00m NN“ hat der Autor des illustrierten Stadtwerke -Werbegeschenks den Abriß auf die technischste aller möglichen Formeln gebracht: Das Gemäuer,
das achtzig Jahre über der Weser aufragte, wurde auf Höhe des Weser-Hochwassers geschleift. „Lange Sätze über den Abriß wären mir zuviel Gefühlsduselei gewesen“, gesteht der Autor. Und Stadtwerke-Vorstand Czichon fügt an: „Wir haben natürlich auch Gefühle, aber die drücken
sich ja gerade in diesem Buch aus.“
Weniger beredt blieben die Auskünfte von Stadtwerke-Chef und Buchautor, warum der Protest gegen den Kraftwerk-Abriß, der im vergangenen Jahr bis hin zu Bürgermeister Wedemeier die Öffentlichkeit in Atem gehalten
hatte, mit keinem Wort Erwähnung findet. „Es hat keinerlei Zensur gegeben, ich stehe voll hinter dem Abriß“, versicherte Autor Sell. Und Günther Czichon wiegelte ab: „Das Aufbegehren hatte damals ja keine sachliche Grundlage, das war doch nur emotional“.
Im Klappentext des Stadtwerke-Werbebuches wird jedoch gerade dieses emotionale Verhältnis beschworen: „So wird den versierten Kennern der Materie wie dem interessierten Laien deutlich, warum das Weserwerk in den fast 80 Jahren seiner Existenz stets Faszination und Skepsis zugleich auslöste und warum die Bremer fast 80 Jahre lang stolz auf das Bauwerk und seine Leistungen in 'ihrem Strom‘ waren.“ Da liegt es nah, den emotionalen Abriß-Gegnern ein Trostpflaster zukommen zu lassen. „Wir werden selbstverständlich auch denen, die uns von der Initiative namentlich bekannt sind, ein Exemplar des Buches schenken“, versprach Stadtwerke-Chef Czichon.
„Da freuen wir uns aber“, kommentierte die frühere Initiativen-Sprecherin Helga Hoffmann das Angebot. Schließlich ist ein Rest der Aktionsgruppe im Moment auch selbst schon dabei, eine Dokumentation über das Leben und den Tod des Weserkraftwerks zusammenzustellen. Alle, die Fotos, Zeichnungen, Erinnerungen u.ä. dazu beisteuern können, werden gebten, sich bei Helga Hoffmann (Tel. 452059) oder Walter Ruffler (Tel. 74421) zu melden.
Dirk Asendorpf
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen