: Tripper-Klipper zur Lotusblüte
■ Bärbel Grähnings „Prostitutionstourismus nach Thailand“ wischt allen unerklärlichen Zauber vom sexuellen Dienstleistungsgewerbe im Land der Lotusblüten
„Prostitutionstourismus“ - da fühlt sich die nette Reisebüroleiterin überfragt. „Natürlich gibt es Leute, die nach Thailand und auf die Phillipinen fliegen, das sind ganz normale Geschäftsleute und Touristen. Aber man kann ja nicht wissen, was die da wirklich wollen“. Einen Rückgang der Bu
chungen für die Asienflieger, auch Bumms-Bomber oder Tripper-Klipper genannt, gibt es in Bremen auf jeden Fall nicht zu verbuchen, trotz Aids.
1984, als Bärbel Grähning ihre Diplomarbeit im Fachbereich Sozialwissenschaften an der Uni Bremen über „Prostitutionstourismus nach Thailand„ geschrieben hat, war Aids noch kein Thema. Ihre Arbeit ist jetzt im Selbstverlag des Überseemuseums erschienen. Wer sich von lila-weiß gestreiften Paperback-Einbänden mit Schulbuchappeal nicht abschrecken läßt und auch den Gebrauch eines Fremdwörterlexikons nicht scheut, wer auch die dritte Zusammenfassung noch mit Interesse lesen kann, dem sei dieses Buch empfohlen.
„Die sexuelle Verfügung von Frauen in ihrer historischen Entwicklung„ lautet der Untertitel und deutet darauf hin, daß es weniger um das „Wie“ als um das „Warum“ geht. Zu leicht läßt sich das Problem mit dem für Euro
päer so unverständlichen asiatischen Charakter erklären, den die ewig lächelnden Lotusblüten zu personifizieren scheinen.
Daß Massenproduktion in Thailand auf die Anwesenheit des amerikanischen Militärpersonals während des Vietnamkrieges zurückgeführt werden kann und daß vom Prostitutionstourismus hauptsächlich die nicht-sozialistischen Länder Süd Korea, Taiwan, Thailand und die Philippinen betroffen sind, gibt dem Thema eine andere Note.
Bärbel Gräning sieht in der Massenprostitution eine Folgeerscheinung des Tourismus‘ und Resultat der Ausbeutung der 3. durch die 1. Welt, aufgebaut auf ökonomisch -patriarchalischen Strukturen. Der Buddhismus als bestimmender Faktor von Thai-Geisteshaltung und Sozialleben bildet die ideale Basis zur Durchsetzung der sexueller Dienstleistung von Frauen und Minderjährigen: starke hierarchische Ordnung und Frau als Sinnbild des
Bösen, Triebhaften. Die Thailändische Prostitutionsgeschichte wird aber letzlich auf die entwicklungspolitische Umwandlung der ehemaligen Subsistenzwirtschaft in eine marktorientierte zurückgeführt. Verarmung und Landverlust des größten Bevölkerungsteils, der Bauern, war die Folge. Die einsetzende Landflucht und der thailändische Brauch, daß Frauen für die Familienfinanzierung zuständig sind, führten dann zwangsweise in die Prostitution, die oft einzige Erwerbsmöglickeit für Frauen.
Weder die Thailändische Regierung noch die Nutznießer des sexuellen Dienstleistungsbereichs und schon gar nicht die ausländischen Investoren sind an einer Änderung dieser Umstände interessiert. Bärbel Gräning macht - ohne den üblichen Voyeurismus - selbst wirtschaftspolitischen Laien klar, daß solche Phänomene keineswegs orientalischem Zauber unterliegen.
Kerstin Dreyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen