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Gruppe der 24 - Organisation der Armen

Bevor die erlauchte Gesellschaft des IWF (und der Weltbank) zu Jahrestagungen zusammentritt, finden stets separate Zusammenkünfte der Industrie- und Entwicklungsländer statt, auf denen Interessen abgestimmt und Vorgehensweisen für die eigentlichen Tagungen vorbereitet werden.

Als Gegenpol zu den Interessenvereinigungen der Industrieländer riefen die Entwicklungsländer 1971 die „Gruppe der 24“ ins Leben. Den Namen verdankt sie ihrer Zusammensetzung: je acht Vertreter der drei Kontinente Asien, Afrika und Lateinamerika. Ihre Gründung war eine Antwort der Dritten Welt auf den Beschluß der Nixon -Regierung, die Goldeinlösungspflicht für den US-Dollar aufzuheben. (Diese Entscheidung, Folge der mit dem Vietnam -Krieg zusammenhängenden Wirtschaftsprobleme der USA, leitete damals das Ende des Systems fester Wechselkurse, besser bekannt unter der Bezeichnung Bretton-Woods-System, ein.)

Die Gruppe der 24 entsprang dem Schoß der „Gruppe der 77“, die im Rahmen der UN-Organisation für Handel und Entwicklung - bisher ohne jeden Erfolg - für eine neue Weltwirtschaftsordnung eintritt. Für die Gruppe der 77 währungspolitische Empfehlungen auszuarbeiten wurde zur Aufgabe der Gruppe der 24. In ihrer Politik und ihren Forderungen ging sie ungleich pragmatischer vor als ihre „Mutter“.

Mit der Zuspitzung der internationalen Schuldenkrise und der Verbreitung der wirtschaftlich, sozial, politisch und ökologisch verheerenden „Stabilisierungsprogramme“ des IWF in der Dritten Welt erwuchs der Gruppe der 24 ein breiteres Themenspektrum.

Positionen der Dritten

Welt darstellen

Besonders in den vergangenen zwei Jahren trat sie mit Positionspapieren und Stellungnahmen auf den Plan. Darin beklagte sie unter anderem die schlechten Rohstoffpreise ( verminderte Deviseneinnahmen), den zunehmenden Protektionismus der Industrieländer, die hohen Schuldenlasten, den Rückgang konzessionärer Kapitalzuflüsse, den negativen Ressourcentransfer (der die Dritte Welt in Zeiten der Krise als kapitalbedürftige Region zu einem Netto -Kapitalexporteur gemacht habe).

An die Adresse des IWF richtete sie den Vorwurf, Strukturprobleme der Entwicklungsländer mit kurzatmigen und allein makroökonomisch ausgerichteten Rezepten falsch therapiert, wirtschaftliche, soziale und politische Krisen ausgelöst oder verschärft und zu einseitig auf das Ziel einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz orientiert zu haben. Ferner hielt sie dem IWF vor, gemeinsam mit der Weltbank die Entwicklungsländer den Zwängen einer doppelten Konditionalität zu unterwerfen und maßgeblich zur Bildung eines Kartells der Gläubiger beigetragen zu haben.

Vom IWF (und den Industrieländern) verlangte die Gruppe der 24 nach Jahren der wachstumshemmenden „Anpassung“ a la IWF, dem Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer Vorrang einzuräumen und die Ökonomien nicht zu erdrosseln. Zu ihrem breit gefächerten Forderungskatalog zählen:

-die Umwandlung von Schulden in Zuschüsse und Kapitalbeteiligungen,

-Schuldenerlaß für Länder mit niedrigem Einkommen,

-Senkung des Zinsniveaus,

-längerfristig orientierte Umschuldungen

-Zufuhr neuer, vor allem weich konditionierter Finanzmittel,

-Aufstockung der Entwicklungshilfe,

-bessere Finanzausstattung internationaler Organisationen (beim IWF durch vorzeitige neunte Quotenerhöhung),

-Abbau protektionistischer Schranken durch die Industrieländer,

-flexiblere Handhabung der IWF-Konditionalität,

-längere Rückzahlungsfristen und weichere Konditionen bei IWF-Krediten.

Interessenclub der Staaten,

nicht der Bevölkerung

Wenngleich die Gruppe der 24, bedingt durch die Stimmrechte im IWF, weit weniger mächtig ist als die G-5, G-7 oder Zehnergruppe der Industrieländer, blieb ihr Wirken nicht ohne Einfluß. Daß im IWF schon in den 70er Jahren Kredite mit günstigeren („weichen“) Bedingungen für die Schuldner (etwa „Erweiterte Fondsfazilität“, „Kompensatorische Finanzierungsfazilität“, „Ölfazilität“, „Buffer-Stock -Fazilität“ etc.) eingerichtet oder ausgeweitet wurden, ist nicht zuletzt auf ihre Forderungen zurückzuführen. Auch das zumindest teilweise Entgegenkommen von Industrieländern gegenüber Forderungen der Entwicklungsländer aus jüngerer Zeit (Schuldenerlaß in Einzelfällen, längerfristige Umschuldungen, Forcierung der mittelfristigen, wachstumsorientierten Strukturanpassungsprogramme) kann die Gruppe der 24 ihrem Einfluß und ihrer Öffentlichkeitsarbeit zugute schreiben, obwohl zwischen verbalen Zugeständnissen und Taten der Industrieländer mehr Welten liegen - etwa wenn es um die Bereitstellung weiterer weich konditionierter Finanzmittel geht).

Über eines sollte allerdings kein Zweifel aufkommen: Bei der Gruppe der 24 handelt es sich um einen Interessenklub von Staaten, von Entwicklungsländer-Regierungen. Ob sich an der Situation der Armen und Verelendeten in der Dritten Welt wirklich etwas bessern wird, wenn zum Beispiel die Forderung nach Schuldenerlaß allgemein erfüllt würde, erscheint aufgrund der Machtverhältnisse in den betreffenden Ländern mehr als fraglich.

Peter Körner (Forschungszentrum Kriege, Rüstung und Entwicklung, Universität Hamburg)

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