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„Kein Grund, über Schuldenstreichung zu reden“

Bundesfinanzminister Stoltenberg will lediglich eine schnelle Quotenerhöhung beim IWF / Zum Tietmeyer-Attentat: „Primitives Denken“  ■  Aus Berlin Ulli Kulke

„So schnell wie möglich“ wünsche die Bundesregierung eine Erhöhung der Quoten (des Kapitals) des Internationalen Währungsfonds, erklärte Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) gestern gegenüber der Presse. Was er nicht sagte: Die Bundesrepublik bildet mit den USA bislang den Sperrblock, der mit seinem Stimmenanteil von rund 25 Prozent diese Erhöhung verhindert hat. Sie würde für die verschuldeten Länder mehr neue Kredite beddeuten. Aber wohl auch wegen dieses Sperrblocks meinte der Minister, daß in diesem Jahr mit einer Entscheidung nicht mehr zu rechnen sei. Die Kapitalerhöhung sollte seiner Ansicht nach 30 bis 50 Prozent betragen. Der geschäftsführende IWF-Direktor Michel Camdessus hatte am Vortag erklärt, eine hundertprozentige Aufstockung sei notwendig, wenn der Fonds künftig seinen Geschäften ohne Kreditaufnahme bei privaten Banken nachgehen solle. Auf die Forderungen aus seiner eigenen Partei nach Schuldenstreichungen hingewiesen, antwortete Stoltenberg, das seien „ja nur drei Bundestagsabgeordnete gewesen“. Er wies darauf hin, daß alle Gremien von IWF und Weltbank - auch die Vertretung der Entwicklungsländer („G-24“) - nichts von Schuldenstreichungen hielten (siehe taz-„Tagesthema“ von gestern). Daher werde die kürzlich vorgelegte Forderung der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) nach einer mindestens 30prozentigen Schuldenstreichung auch kein Thema sein. Schuldenstreichung komme bis auf wenige, an ärmste Länder vergebene öffentliche Kredite deshalb nicht in Frage, weil dann die Kreditwürdigkeit der Schuldner in Gefahr sei.

„Bei Schwellenländern gibt es keinen Grund, über Schuldenerlaß zu reden“. Nötig sei es jetzt, daß die Banken verstärkt die neuen Instrumente zur Schuldenbewältigung nutzten: die Schuldenumwandlung in Direktinvestitonen, aber auch den Schuldenrückkauf durch die Drittweltländer - mit größeren Abschlägen auf den Nennwert.

Stoltenberg hatte zu Beginn des Pressefrühstücks noch seine „tiefe Betroffenheit“ über den Anschlag auf seinen ebenfalls anwesenden Staatsekretär Tietmeyer geäußert. Die darin zum Ausdruck gekommene „Primitivität des Denkens“ erschrecke ihn. IWF-Chef Camdessus hatte in seiner Auftaktpressekonferenz zur Jahrestagung darauf hingewiesen, daß es immer mehr Stimmen in der Bankenwelt gäbe, die eine Bereitschaft zu teilweisen Schuldennachlässen andeuteten. Er könne sich durchaus vorstellen, daß Geschäftsbanken, die im Falle der Schuldnerländer mit mittleren Einkommen die Hauptgläubiger sind, auch einen teilweisen Schuldenerlaß in künftige Pakte einbauen werden.

Beim diesem Thema steht es unter den drei größten bundesdeutschen Banken nach wie vor 2:1 für die strikte Ablehnung jedweden Nachlasses. Im Gegensatz zum Vorsitzenden der Deutschen Bank, Herrhausen, der darüber zumindest in Einzelfällen nachdenken will, betonten jetzt die Chefs von Dresdner und Commerzbank, Röller und Seipp, ihre strikte Ablehnung von Schritten in diese Richtung.

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