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Wut gegen Behörde

■ Inder wurde wegen „Randpsychose“ in Nervenklinik eingewiesen

„Die Deutsche Botschaft fliegt in die Luft“, habe der Angeklagte am Telefon gedroht, „wenn Sie nicht aufhören bei der Otto Böhnicke-Stiftung (OBS) zu arbeiten“, erklärte die Sachbearbeiterin S. gestern vormittag vor der 20.Landgerichtskammer in Moabit. Die OBS verteilt Stipendien an osteuropäische Studenten. Der Angeklagte K. - in Indien geboren, in Moskau studiert - kam nach Deutschland und „kannte nur Goethe und Hitler“. Auf ein Stipendium der OBS hoffend, richtete er sich in West-Berlin mit Unterstützung der Alliierten ein. Als dem, aus einer bürgerlichen Familie stammenden, BWL-Studenten das Stipendium verwehrt wurde, griff der Angeklagte zum Alkohol. Er entwickelte nach Meinung des psychiatrischen Sachverständigen eine „Randpsychose“, bei der er „unter alkoholischer Einwirkung zu Fehlhandlungen neigt“. Im Februar und März diesen Jahres rief er rund 50 Mal bei der OBS an und überhäufte die Angestellten mit Morddrohungen. Doch er versuchte nie seine Drohungen wahr zu machen. Der Sachverständige bescheinigte Babu K. vor Gericht „zum Zeitpunkt der Tat, was die Anrufe angeht, Schuldunfähigkeit“. Auch der Staatsanwalt erkannte bei dem Angeklagten „die Paranoia durch den Mißbrauch von Alkohol bestärkt“ - und plädierte auf die „Aufhebung der Unterbringung“ in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, in der Babu K. seit rund fünf Monaten in einer geschlossenen Abteilung untergebracht war. Die Staatsanwaltschaft führte fort, daß es sich in diesem Falle um eine „tieftraurige Angelegenheit“ handele. Es wäre „zu umfangreich, wenn wir alle Bedrohungen öffentlicher Behörden verfolgen müßten“.

Rechtsanwalt Wolf-Dietrich Schreyer betonte in seinem Plädoyer, daß die „monatelange Unterbringung in der Psychiatrie für den Angeklagten Warnung genug gewesen“ sei. Den Ausführungen des Staatsanwaltes folgend, forderte der Verteidiger Freispruch. Der Urteilsspruch: „Die Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus wird angeordnet. Der Beschuldigte ist für die Allgemeinheit gefährlich, wenn er das Stichwort Böhnicke-Stiftung hört.“ Der Rechtsanwalt geht in die Revision: „Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.“

Christian Haase

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