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„Die Südafrikaner wollen das Land nicht verlassen“

Die Chance, daß die widerrechtliche Besetzung Namibias durch Südafrika im Gefolge der Angola-Verhandlungen beendet wird, ist gering. So zumindest lautete das einhellige Urteil von Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten auf dem Symposium der Grünen „Unabhängigkeit für Namibia“  ■  Von Michael Fischer

„Wer mit den Buren Skat spielen will, muß ihre Pokerregeln kennen.“ So umschrieb Namibia-Experte Henning Melber auf einem Symposium der Grünen zur Zukunft Namibias letzte Woche in Bonn die Schwierigkeiten der namibischen Befreiungsbewegung „Südwestafrikanische Volksorganisation“ (Swapo) Ob sie die nötigen Trümpfe in der Hand hält, um die Pokerfaces aus dem Apartheidstaat, den USA, der Sowjetunion, Angola und Kuba auszustechen? Das war die Frage, über die bundesdeutsche und ein holländischer Wissenschaftler, namibische Politiker, Journalisten, Kirchen- und Swapo -Vertreter während des Hearings laut nachdachten. Gibt es als Folge der bislang erfolgreichen Angola-Verhandlungen eine Chance, daß der Apartheidstaat das von ihm seit Jahrzehnten widerrechtlich besetzte Namibia freigibt, daß freie Wahlen stattfinden, wie sie in der 1978 verabschiedeten UNO-Resolution435 gefordert werden? Und welche Rolle spielt dabei der Westen, spielen Sanktionen gegen Südafrika?

Die eingeladenen Swapo-Vertreter hielten sich bedeckt. Die Spekulationen der Wissenschaftler über die Chancen der südafrikanischen Kolonie, die Unabhängigkeit zu erlangen, waren in den Augen der Swapo-Politiker akademisches Geplänkel. Denn, so Ben Gurirab, der beim Swapo -Zentralkomitee im Exil in Luanda für die Außenpolitik zuständig ist: „Den Südafrikanern ist nicht zu trauen.“ Seit der Annahme der Resolution435 durch die UNO haben die Südafrikaner sich mehrfach bereiterklärt, Namibia in die Unabhängigkeit zu entlassen. Im letzten Moment ließen sie die Verhandlungen jedesmal scheitern.

Bob Kandetu vom namibischen Kirchenrat unterstützte den Swapo-Politiker. Der Kirchenrat verfolge den Verhandlungsprozeß mit gemischten Gefühlen, erklärte Kandetu. Es sei noch kein Waffenstillstandsabkommen geschlossen, obwohl die Swapo-Guerilla dies wiederholt angeboten habe. Zwar werde zur Zeit in Namibia nicht gekämpft. Doch Südafrika, das seine Soldaten aus Angola abgezogen hat, verstärke die Besatzungstruppen an der Grenze Namibias zu Angola.

Das Apartheid-Regime habe sich zu Verhandlungen über Angola bereiterklärt, wußte der holländische Namibia-Experte Dave de Beer, weil der Krieg gegen die angolanisch-kubanischen Truppen zu teuer, zu unpopulär und zu verlustreich geworden ist. Ähnliches gelte für Namibia, wo einerseits die Einnahmen aus den Kupfer- und Uranminen und der Fischereiindustrie zurückgegangen sind, andererseits die Kosten für die aufgeblasene weiße Verwaltung und die rund 100.000 Soldaten ständig zunehmen. Trotzdem scheint das Apartheidregime nicht gewillt, Namibia aufzugeben. Im Gegenteil: Alles weise darauf hin, daß die Südafrikaner das Land nicht verlassen wollen. Dies wurde auch von den anderen Experten geteilt. Der Ausbau des wichtigsten namibischen Hafens Walfischbai und die zunehmende Repression wurden als Merkmale dafür genannt.

Professor Franz Ansprenger von der Freien Universität Berlin gab außerdem zu Bedenken, daß weiße, konservative Namibier im Falle einer bei freien Wahlen allgemein erwarteten Machtübernahme der Swapo nach Südafrika auswandern und dort die Reihen der rechtsradikalen Kritiker Bothas stärken würden. Das wird der Apartheid-Chef jedoch auf jeden Fall verhindern wollen, da er schon jetzt von rechts außen ziemlich unter Druck gesetzt wird. Für Dave de Beer steht fest, daß die Apartheid-Militärs auch dieses Mal

-wie vor zehn Jahren - freie Wahlen in Namibia verhindern werden. Namibia sei strategisch so bedeutend, erklärte de Beer, daß Botha 1978 - damals noch Rüstungsminister - sogar seinen Regierungschef Voster entmachtete, weil der verhandeln wollte.

Aber selbst wenn Südafrika Wahlen in Namibia zuließe, so argumentierten die Experten, wären die Apartheid-Strategen dank der paramilitärischen Polizei und der Truppen der „South West African Defense Force“ (SWADF) in Namibia in der Lage, die Bevölkerung einzuschüchtern. Der Ausgang der Wahlen sei deshalb ungewiß. Diese Einschätzung teilten die Swapo-Politiker nicht. Sie gaben sich siegessicher.

Letztlich komme es auf die Haltung der westlichen Staaten an, faßte Henning Melber von der Gesamthochschule Kassel die Diskussion zusammen. Strittig war zwar, ob eher die militärischen Verluste oder der durch Sanktionen eingeengte finanzielle Spielraum das Apartheidregime zum Einlenken in Angola bewogen hatten. Einig war man sich jedoch, daß selbst die bislang verhängten - „lächerlich bescheidenen“ Sanktionen effektiv seien. De Beer warnte, daß die westlichen Regierungen noch immer nicht bereit seien, Südafrika wegen Namibia unter Druck zu setzen. Schon 1978 habe die als „Kontaktgruppe“ bekannt gewordene Delegation fünf westlicher Außenminister gekniffen, als der frisch inthronisierte Botha sie mit ihrer Forderung nach Wahlen in Namibia vertröstete. Praktisch hätten sie damit den südafrikanischen und westlichen Firmen zehn Jahre Zeit gegeben, das Land weiter ungehindert auszubeuten. Dies dürfe sich nicht wiederholen. Wirtschaftssanktionen und Rüstungsgüter-Embargo müßten nicht nur wegen der Apartheidpolitik in Südafrika, sondern auch wegen der illegalen Besetzung Namibias verschärft werden.

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