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Auf der Anklagebank: zwei Kapitalverbrecher

Auf dem internationalen „Basso-Tribunal“ in Berlin wird IWF und Weltbank der Prozeß gemacht / Urteilsverkündung am Donnerstag  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Vor rund 300 ZuschauerInnen und großem internationalen Medieninteresse begann gestern im Audi-Max der FU Berlin das sogenannte „Peoples Permanent Tribunal“, mit der der Weltbank und dem IWF erstmals - wenn auch nur symbolisch - der Prozeß gemacht wird. In Abwesenheit der beiden Angeklagten - beide hatten erklärt, sie seien für ihre Politik selbst verantwortlich und bedürften keiner externen Gerichtsbarkeit - wurden gestern von prominenten Experten aus aller Welt die ökonomischen, politischen und juristischen Anklagepunkte verlesen. Das Sündenregister der Angeklagten reicht über „systematische und ständige Verletzung der Menschenrechte“ und Zerstörung der Natur bis zu massenweiser Verbreitung von Armut und Hunger (siehe auch taz vom 26.9.).

Welchen Nutzen dieses unabhängige Tribunal hat, das sich in der Tradition des Russell-Trbiunals über den Vietnam-Krieg sieht, werde man vielleicht erst in einigen Jahren erfahren, erklärte sein Vorsitzender, der belgische Völkerrechtsprofessor Francois Rigaux zu Beginn der insgesamt dreitägigen Sitzung.

Man werde, so hatte zuvor der argentinische Nobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel als Mitglied der zwölfköpfigen Jury erklärt, hoffentlich unabhängig die Vorwürfe prüfen und sich dabei in erster Linie auf die Gründungspräambeln der beiden mächtigsten Finanzorganisationen selber und auf die Charta der Vereinten Nationen und ihre Menschenrechtsdeklarationen stützen.

Kritik an IWF und Weltbank habe es schon immer in deren 40jähriger Geschichte gegeben, führte der Berliner Ökonom Elmar Altvater in seiner Anklagerede aus. Doch bisher sei man nie auf die Idee gekommen, ihnen den Prozeß zu machen und sie der Menschen- und Völkerrechtsverletzung anzuklagen. Denn solange ein allgemeines Wirtschaftswachstum zu verzeichnen war habe sich die Kritik allein an der zu geringen Geldsumme entzündet, das beide Institutionen zur Verfügung stellten. „Heute“, so Altvater, merken wir, „daß Geld auch töten kann.“ IWF und Weltbank seien mitverantwortlich für einen „globalen Notstand“, der radikale Lösungen verlange. Altvater wörtlich: „Das Leben von Millionen Menschen wird möglicherweise auf dem Altar des Mammons geopfert.“ Nur sofortige Schuldenstreichung, für die es übrigens in der Geschichte dieses Jahrhdunderts bereits zahlreiche Beispiele gebe, könnten ein erster Schritt zur Lösung sein.

Eine internationale Schuldenkonferenz forderte die SPD -Europaparlamentsabgeordnete Katharina Focke in ihrer politischen Anklage. Die Regierungen der EG-Länder, die im IWF insgesamt 29 Prozent der Stimmrechtsanteile besitzen, seien aufgefordert, in diesen Prozeß der „falschen und unterlassenen Politik“ von IWF und Weltbank einzugreifen. Beide Institutionen sollten voll in die UNO eingebunden werden, schlug Frau Focke vor. Dazu müßten Bewegungen, wie man sie jetzt erfreulich stark erlebe, Druck auf die Regierungen ausüben. Schärfere Töne schlug dagegen die Schriftstellerin Susan George aus den USA an. Zur Zeit herrsche eine Art Krieg gegen die Bevölkerung der Dritten Welt. Und ähnlich wie im Krieg müßten Reparationen an die Betroffenen gezahlt werden. Ein solcher Reparations-Fonds könne dann von Nichtregierung-Organisationen demokratisch verteilt werden.

Das Tribunal findet bis einschließlich Mittwoch ab 9 Uhr im Audi-Max der FU statt und ist öffentlich.

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