Banker vor dem Tribunal

■ Während die Schieber im ICC Langewiele verbreiten, begann in Berlin die Aktionswoche der IWF-Gegner

dem Tribunal

Während die Schieber im ICC Langeweile verbreiteten,

begann in Berlin die Aktionswoche der IWF-Gegner

Von Michael Rediske

Berlin (taz) - Die Banker klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Dem IWF-Lenkungsgremium fiel gestern für sein Abschlußkommunique die originelle Erkenntnis ein, daß „die bisherige Strategie Erfolge gebracht“ habe, „fortgesetzt und um neue Modelle ergänzt werden“ solle. Und je mehr sich im Berliner Internationalen Conress Centrum die Verlautbarungslangeweile ausbreitete, desto größer wurde das Interesse der unterbeschäftigten Journalisten an den Gegenaktionen. Nach der Demonstration der 80.000 über den Kurfürstendamm kam selbst Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen nicht mehr daran vorbei: bei dem Empfang, den er am Sonntag abend für die Bankergemeinde in der Deutschen Oper gab, äußerte er die Hoffnung, seine hochkarätigen Gäste hätten alle die Anti-IWF-Kundgebung zur Kenntnis genommen. Denn dann wüßten sie, was Freiheit ist.

Eben das erfuhren zur gleichen Stunde einige hundert Spontan-Demonstranten einen Kilometer weiter vor der Gedächtniskirche. Sie waren eine Dreiviertelstunde lang von Polizeiketten eingekesselt - ohne daß es zuvor Auseinandersetzungen gegeben hätte.

Gestern morgen richtete sich das internationale Medieninteresse dann auf die Eröffnung des „Ständigen Tribunals der Völker“ (Basso-Tribunal) in der Freien Universität. Zum ersten Mal wird IWF und Weltbank der Prozeß gemacht - wenn auch nur symbolisch. Obwohl also den Bankern keine Haftstrafen drohen, zogen sie es vor, nicht zu erscheinen. So mußte die Anklageschrift in Abwesenheit der Angeklagten verlesen werden. Die Vorwürfe reichen von „systematischer und ständiger Verletzung der Menschenrechte“ über „Zerstörung der Natur“ bis zu „massiver Verbreitung von Armut“. Anklagevertreter Elmar Altvater: „Heute merken wir, daß Geld auch töten kann.“ Zu den Jurymitgliedern gehört der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel. Er kündigte an, das Tribunal, das in der Tradition des Russell-Tribunals steht, werde die Politik von IWF und Weltbank an deren eigenen Gründungszielen sowie der UN -Charta messen.

Wer sich mit Juristerei und der Veranstaltung im Saal nicht begnügen wollte, ging gestern auf die ersten Treffs der Anti -IWF-Aktionswoche. Am Morgen ging es vor der Verkaufszentrale des Textilkonzerns Adler und vor der Zeitarbeitsvermittlung Adia los - gegen die Ausbeutung von Frauen in der Dritten Welt und gegen ungeschützte Arbeitsverhältnisse. Waren hier noch die wenigen Frühaufsteher unter sich, so demonstrierten dann am Nachmittag schon rund 200 Menschen vor Kaufhäusern und Banken in den Einkaufsstraßen des Bezirks Neukölln („gegen Konsumterror“). Richtig voll - mit rund 800 Teilnehmern wurde es dann bei den Aktionen der Anti-AKW-Bewegung im Bezirk Siemensstadt. Unter dem Motto „Kein Strom für den Kongreß“ ging es den Siemens-Werkzaun entlang zu einem der Haupttore. Doch die Werksleitung hatte geschickt den Schichtwechsel vorverlegt, um ihren Beschäftigten jede unangenehme Diskussion mit den AKW-Gegnern zu ersparen. Kommentar auf Seite 4