: Keine runde Sache: „Die Ecke“
■ Die Installation zum Thema ist noch bis zum 16.10. im Rahmen des Kunstfrühlings und in der Kommunalen Galerie zu begucken: vier Bremer KünstlerInnen dachten um die Ecke
Ecken sind uns vertraut. Sie gehören zu unserer ständigen Umgebung ebenso wie zu unserem ständigen Sprachgebrauch wobei jedoch selten wirklich der Punkt angesprochen wird, an dem zwei verschieden gerichtete Wände zusammenlaufen. Genausogut kann dieses kleine Wort da Platz nehmen, wo es um vage Bestimmungen oder schlechtes Benehmen geht: Da kommen z.B. Leute aus einer bestimmten Ecke des Landes, einer ist eine ganze Ecke zu groß und hat womöglich jemanden um die Ecke gebracht, der selber immerzu aneckte. Die Reihe der Variationen ist damit längst nicht ausgeschöpft.
Ausgehend von Überlegungen zum Begriff und zur räumlichen Form „Ecke“ entwickelten die Bremer Künstlerinnen Ute Ihlenfeldt, Karin Puck, Gabriele Regiert und Anne Schlöpke eine Installation, die, nach dem Willen einer Kunstfrühlingsjury, in der Kommunalen Galerie zur Ausführung kam (und dort noch bis zum 16.10. zu sehen ist). Den vier Künstlerinnen stand damit ein Raum zur Verfügung, der als solcher um die Ecke geht, und darüber hinaus diese räumlichen Besonderheiten in großer Zahl anzubieten hat. Entsprechend ihrer sonstigen künstlerischen Arbeit setzte jede der vier andere Schwerpunkte, so daß sich als Resultat nun nicht eine, sondern vier Installationen präsentieren.
„Die Ecke als architektonisches Grundprinzip“ mit den gegensätzlichen Erscheinungsformen konvex und konkav, ist zentrales Thema Ute Ihlenfelds. Sechs gleichgroße Quader, mit Papier beklebt und bemalt, läßt sie aus einer Wand sprießen. Zu
einem rechtwinkeligen Dreieck angeordnet, wirken sie durch den Umstand, daß ihre längste Seite in den Raum hineinragt, ausgesprochen dynamisch. In Korrespondenz zu dieser Wandformation steht in einiger Entfernung ein ebenfalls aus (Papp-)Quadern zusammengesetztes Pyramidensegment, gewissermaßen ein „Viertel Pyramide“. Grundriß und Grundmaß, aus dem sich beide Gebilde zusammensetzen, sind grundsätzlich gleich. Während der Pyramidenausschnitt jedoch ein sinnfällig die Umrisse der einzelnden Kartons überspielendes Streifen-Muster aufweist, bleibt die Funktion der collageartigen Bemalung der Wandquader rein dekorativ.
Wie ein Muster an der Wand nehmen sich zunächst auch die vielen kleinen Einzelobjekte aus, die Gabriele Regiert angebracht hat. Die Ecke spielt in ihrer Arbeit eine untergeordnete Rolle: Lediglich in Form eines Rasters, das gleichmäßig eine Wand und einen Pfeiler überzieht, tritt sie in Erscheinung. Aufgebracht auf dieses Rastersystem, dessen Grundgröße sich aus der Breite des Pfeilers ergibt, sind eine Vielzahl plastischer Objekte (aus Gips, Holz, Wachs, u.a.) So uninteressant diese im einzelnen sind, die relative Gleichförmigkeit in puncto Größe, Farbe und Verteilung auf dem Raster ziehen Wand und Pfeiler zu einer optischen Einheit zusammen und nivellieren die plastische Eigenbewegung (etwa in Form eines Pfeilervorsprunges) der Wand.
Mit inhaltlicher Bedeutsamkeit aufgefüllt zeigen sich Anne Schlöpkes Ecken. Zwei Möglichkeiten stellt sie vor: Die „gefüllte
Ecke (mit Texten, Zeichnungen, Bildern, Objekten)“ und die „leere Ecke“ (es gibt nichts zu sehen, aber zu hören: Toncollage aus Texten, Geräuschen, Kurzwellensendern...)“.
Ein dünner Bleistiftstrich auf dem Boden verbindet beide Ecken. Aus zwei Stellwänden errichtet, wirkt die mit allerlei Symbolischem „gefüllte Ecke“ wie ein Altar - ein bißchen hilflos im Raum stehend. Die gegenüberliegende „leere Ecke“ beherbergt immerhin einen Kassettenrekorder. Davor plazierte die Künstlerin einen dreieckigen Hocker, auf dem hockend man die Mitteilungen der Tonkassette lauschen kann. Ein unvermittelt auf dem Boden liegender Reisighaufen rundet die Reihe der Assoziationssender ab, die wohl zu eindeutig zu viel auslösen wollen.
Karin Puck befaßt sich stattdessen lieber mit Farben und Früchten. Mit farbigen Horizontalstreifen, die je nach Betrachtungswinkel länger oder kürzer, heller oder dunkler erscheinen, bemalte sie die Wände beiderseits einer konkaven, sowie einer konvexen Ecke. Die Analogie „positiv -negativ“ zum Gegensatzpaar „konkav-konvex“ taucht dabei in Form von Früchtemotiven auf, die mal als Kontur, mal als Fläche ausgeführt sind, oder in Gestalt dreieckiger Pappen, die wie Eckborde in eine Ecke gepaßt sind.
Denkansätze zum Thema „Ecke“ also. Ein stärkerer Bezug der einzelnen Arbeiten zueinander hätte aus diese eckigen Angelegenheit sicherlich eine runde Sache gemacht.
S.H.
Kommunale Galerie, 17.9. bis 16.10.
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