Die Person ist nicht das Entscheidende

■ Der ehemalige Chefredakteur der Krakauer Parteizeitung 'Gazeta Krakowska‘ und Befürworter eines Kompromisses zwischen Partei und Solidarnosc, Maciej Szumowski, über Polens neuen Ministerpräsidenten Mieczyslaw Rakowski

Maciej Szumowski war 1982 unter dem Kriegsrecht aus Partei und Redaktion entlassen worden.

taz: Sie vertraten 1980 eine Politik der Zusammenarbeit zwischen den Liberalen in der Partei und den gemäßigten Solidarnosc-Mitgliedern. Ist das heute noch aktuell?

Szumowski: Nach dem Schock des Kriegszustandes ist die Gesellschaft sehr vorsichtig mit dem Begriff der Zusammenarbeit. Heute würde ich eher von „friedlicher Koexistenz“ zwischen Regierung und Solidarnosc sprechen. Man muß im Moment einfach die Spielregeln für eine solche Koexistenz festlegen, darum geht es.

Sind denn die Chancen für eine solche Koexistenz mit der Wahl Rakowskis zum Regierungschef eher gestiegen oder gesunken?

Ich glaube nicht, daß im Moment die Frage der Persönlichkeit entscheidet. Wichtiger sind strukturelle Fragen, wie die, ob Solidarnosc wieder zugelassen wird, welche Vorschläge die neue Regierung für die Demokratisierung macht. Natürlich hat Rakowski nicht den geringsten Vertrauenskredit in der Gesellschaft, denn in unseren Augen ist er einer der Hauptideologen des Kampfes mit Solidarnosc. Er hat den propagandistischen Kampf mit der Gewerkschaft nach 1981 geführt, hat sie beschimpft. Aber die Gesellschaft kann dies natürlich hintanstellen, je nachdem, was er in der nächsten Zeit für konkrete Vorschläge macht.

Als Rakowski Vizepremier war, waren Sie noch in der Partei, das war 1980. Damals entstanden auch in der Partei die sogenannten „Horizontalen Strukturen“, eine innerparteiliche Demokratisierungsbewegung. Gibt es heute Anzeichen für etwas Ähnliches?

Heute ist die Lage ganz anders. Denn damals war das eine Reformbewegung von unten, hier in Krakau, in Torun, in den Betrieben. Leute aus der Partei arbeiteten mit Solidarnosc zusammen. Heute will man von oben eine Reform einführen, von der Regierung her. In dem Sinne ist Rakowski ein Reformator. Es gibt eine Gruppe in der Partei, die erkannt hat, daß es ohne weitgehende Reformen nicht geht.

Was nicht heißt, daß Sie auch für die Legalisierung von Solidarnosc sind.

Das ist nicht ganz klar. Aber daß Innenminister Kiszczak es fertiggebracht hat, die innerparteilichen Widerstände zu überwinden und diesen runden Tisch auf den Weg gebracht hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich denke zu der Gruppe von Kiszczak gehört auch Rakowski.

Man sagt aber auch, Rakowski habe eine Art Allergie gegen Solidarnosc.

Ach, psychologische Elemente sind nicht so wichtig. Rakowski hat schon ein paarmal bewiesen, daß er fähig ist, je nach Lage auch die Richtung zu ändern. Wenn er merkt, daß es nicht anders geht, wird er sich auch wieder mit Solidarnosc zusammensetzen. Er hat geglaubt, man könne die Gewerkschaft abschaffen mit dem Kriegszustand, und jetzt erweist sich, daß die Rechnung nicht aufging. Rakowski ist Politiker genug, um sich darüber klar zu sein, daß Solidarnosc eine reale Kraft ist, die man nicht ignorieren kann. Kiszczak hat das auch gemerkt.

Es geht ja nicht darum, daß Rakowski jetzt anfängt, Solidarnosc zu lieben. Bloß anerkennen muß er sie. Und das bin ich, naja, gemäßigter Optimist.

Interview Klaus Bachmann