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Die Zeugen der Anklage sagen aus

Auf dem Basso-Tribunal wurden gestern die Zeugen aus den Schuldnerländern befragt  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Steigende Auslandsverschuldung und Kindersterblichkeit, tägliche Kalorienmengen unterhalb der anerkannten Mindestgrenze, Verlust der nationalen Souveränität - das sind nur einige der Anklagepunkte, die zahlreiche Vertreter von Schuldnerländern gestern auf dem Berliner Tribunal gegen IWF und Weltbank erhoben. Als Zeugen der Anklage hatte das Tribunal fast ausschließlich Männer geladen: Bischöfe, Gewerkschaftsvertreter, Priester oder Wirtschaftswissenschaftler von Argentinien über die Philippinen bis Zimbabwe. Ihre Berichte, so verschieden die Bedingungen in den einzelnen Ländern auch sind, ähnelten sich in der Beschreibung der katastrophalen wirtschaftlichen Lage.

Doch nur sehr global konnten die meisten Zeugen in der Kürze der Zeit belegen, welche Schuld genau IWF und Weltbank an dieser Situation tragen. Und die zwölfköpfige Jury aus prominenten Schriftstellern, Abgeordneten, ehemaligen Ministern, Bischöfen und Nobelpreisträgern fragte auch nur selten die konkrete Verantwortung der beiden Finanzinstitutionen nach.

Selten kamen bisher in diesem Tribunal auch die Vorschläge zur Lösung der Schuldenkrise zur Sprache. Und wenn Ansätze dazu vorgetragen wurden, dann gingen sie häufig auseinander. Der Vorsitzende einer Koalition mehrerer philippinischer Gruppen gegen die Auslandsverschuldung forderte etwa ein Moratorium und schlug vor, künftig nur noch Schulden in Höhe von zehn Prozent der Exporterlöse zurückzuzahlen. Diesen Weg, der dem erklärten Programm des peruanischen Staatschefs Garcia entspricht, hatte jedoch kurz zuvor ein peruanischer Ökonom im Zeugenstand als bloß „rhetorische Revolution“ abgelehnt. Der Liberianer Tipothe, ehemaliger Wirtschafts und Finanzminister seines Landes, plädierte währenddessen für eine völlige Entmachtung von IWF und Weltbank. Die Forderung nach Schuldenstreichung, so Tibothe, begrüße er vor allem auch deshalb, weil sie zu einer gemeinsamen Forderung der Bewegungen in der „Dritten Welt“ und dem militanten Widerstand, den er in den letzten Tagen in Berlin beobachtet habe, geworden sei. Nach den Plädoyers der Anwälte der Schuldnerländer und einer Verteidigungsrede des Pflichtverteidigers wird die Jury am Donnerstag nach geheimer Sitzung ihr Urteil verkünden. Viel ausrichten wird dieses Urteil wohl kaum, denn es ist nicht bindend und eher für die Öffentlichkeit gedacht.

Einigen scheint das Tribunal jedoch jetzt schon gefährlich: Der Vatikan verbot dem brasilianischen Bischof Casaldalaga die Reise zu dieser Veranstaltung und der Vertreter Tansanias bekam erst nach mehrfachen Interventionen beim bundesdeutschen Konsulat in London ein Einreisevisum.

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