: Kewenig in Bombenstimmung
■ Vorletzter IWF-Aktionstag wieder mit Protestaktionen, Demonstrationen, Festnahmen und Polizeikessel / 13 Bombendrohungen
Polizei und IWF-KritikerInnen sorgten auch am vorletzten Tag der IWF-Aktionswoche für Turbulenzen. Ruhe und Ordnung bewahrte nur Innensenator Kewenig und äußerte sich „befriedigt über den reibungslosen Ablauf der IWF-Tagung, die durch zahlreiche Gegenaktionen bisher zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen“ sei. Gewaltsame Auseinandersetzungen habe es allen Unkenrufen „interessierter Kreise“ zum Trotz nicht gegeben. Die Polizei habe „Besonnenheit mit der unmißverständlichen Entschlossenheit zum Eingreifen“ verbunden. Bis Redaktionsschluß stellte sich das Ergebnis der polizeilichen Besonnenheit folgendermaßen dar: Am Dienstag gab es nach Auskunft der Polizeipressestelle 213 Festnahmen nach ASOG, davon sitzen nach Angaben des Ermittlungsausschusses immer noch mindestens 30 Personen ein. Während der polizeiliche Lagedienst gestern abend keinen tagesaktuellen Überblick geben konnte oder wollte, registrierte der Ermittlungsausschuß (EA) gestern tagsüber 20 Festnahmen, davon seien sechs wieder entlassen.
Die Frauenaktion vor Karstadt an der Wilmersdorfer Straße endete mit einem Polizeikessel und nach Angaben des Ermittlungsausschusses mit wenigstens 81 weiteren Festnahmen nach ASOG. Etwa die Hälfte seien wieder freigelassen. Rechtsanwälte, die gestern Mandanten in der Gefangenensammelstelle Kruppstraße besuchten, kritisierten die Unterbringung der Festgenommen. Bis zu 40 Leute hätten die Nacht in einem ständig beleuchteten Raum verbringen müssen und weder Essen noch einen Schlafplatz erhalten. Entgegen der ASOG-Anordnung seien viele nicht unverzüglich einem Richter vorgeführt worden.
Bombendrohungen
Mit Bombendrohungen haben gestern Unbekannte bei diversen Sex-Shops und Spielkasinos in der Innenstadt Alarm ausgelöst. In einem anonymen Schreiben, das mittags bei der Polizei einging, kündigten sie ihre Anschläge auf 13 Objekte in Charlottenburg und Schöneberg an, um gegen „die Ausbeutung der Frauen“ und „gegen Sexismus“ zu protestieren. Die Polizei sperrte sofort alle Gebäude ab, u.a. das Europa -Center. Bomben wurden nirgendwo gefunden.
Kaufrausch im KaDeWe
Mehrere 100 DemonstranInnnen versammelten sich gestern vor dem KaDeWe. Die Geschäftsführung hatte schon Stunden vorher die Glasfronten mit Sperrholzplatten verrammeln lassen. Zu dem von den IWF-Gegnern angekündigten Besuch im KaDeWe kam es allerdings nicht. Ein großes Polizeiaufgebot war an den Eingängen postiert und Mitarbeiter des Hauses entschieden, wer eingelassen wurde und wer nicht. An die 100 Kaufwillige erhielten ein Hausverbot. Kurze Zeit später rückten weitere Hundertschaften an und räumten den Bürgersteig und die Fahrbahn vor dem Konsumzentrum. Zuvor hatten IWF -GegnerInnnen mit Schweineblut gefüllte Plastiktüten vor dem Haupteingang ausgeleert und symbolisch darin Dollarscheine gebadet. Gegen 17.30 Uhr sperrte die Polizei die Tauentzienstraße und trieb die Passanten in Richtung Wittenbergplatz. Vereinzelt wurden DemonstrantInnen festgenommen. Ihre Anzahl war bei Redaktionsschluß ebenso unbekannt wie der weitere Verlauf der Versammlung.
Friedlich betteln
Mit einem Leierkasten an der Spitze zogen gestern nachmittag rund 200 Leute unter dem Motto „Bettler betteln für Banker“ durch die Innenstadt. Mit Büchsen in der Hand sammelten sie für „die armen Bankerschweine“, damit „die endlich genug kriegen“. Unter tosendem Beifall ließen sich einige Passanten nicht lumpen und spendeten. „Das ist Berlin - die Stadt mit dem Herz“, bedankten sich die Bettler.
taz
Siehe Seite 5 und letzte Seite.
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