piwik no script img

Hör-Funken: "Piranesi oder der Quälgeist"

Schlaflos („Piranesi oder der Quälgeist“, 2030 bis 2112, SWF 2) Die Schlaflosigkeit hat bei Schriftstellern mitunter Albträume zur Folge, und die werden dann zum Werk, und das Werk ist das Gefängnis der Phantasie, die wiederum schlaflos werden läßt und zu Albträumen führt. Bei dem namenlosen Schriftsteller dieses Hörspiels von Gerhard Köpf kommt noch ein Papagei hinzu, der vor dem Einschlafen Geschichten erzählt haben will und sie dann nachplappert, bis niemand mehr weiß, was die Stimme des Papageis und was die Stimme des Schriftstellers. Letzterer erinnert sich einer Geschichte, die ihm sein russischer Kollege Odoevskij erzählte. Bei einem Antiquar habe er sich in die Bau- und Kerkerwerke Piranesis vertieft, schließlich das Buch erschrocken zugeschlagen. Plötzlich habe der Architekt und Kupferstecher selbst vor ihm gestanden, der sich mit seinem Werk an seinem Jahrhundert rächen wollte, von dem verfluchten Buch aber nicht sterben gelassen wurde. Kerker und Labyrinthe hat er entworfen, Kerker und Labyrinth wurde sein Werk für ihn. Bücher sind die Quälgeister derer, die sie schreiben, und lassen nicht schlafen und sterben, weil nicht zu vergessen ist, was einmal aufgeschrieben ist. So erzählt Piranesi Odoevskij, der es seinem namenlosen Kollegen erzählt, welcher es seinem Papagei weitergibt, der damit macht, was alle Papageien tun. Vorsicht also vorm Erzählen und Aufschreiben.

Schöne neue Computerwelt (2) („Komputationen des Phantastischen. Ausblicke auf die neue Computerästhetik“, 2300 - 2400, SFB 3) „Bunte Männchen irren durch graue Labyrinthe, verändern sich mit jeder Bewegung. Ein Dreieck rutscht über kantige Primzahlen, stürzt beim Faktor pi in einen tiefen Abgrund, um am Ende seiner Reise durch digitale Welten nichts weiter als die bloße Scham einer stilisierten Sphinx zu bedeckern. Irreales wird mithilfe des Computers realistisch. Und die Kunst wird zur mathematischen Metapher, für die das Korsett der klassischen Ästhetik zu eng geworden ist.“ Beate Ziegs denkt über die Kulturrevolution der Computer nach und ob sie das Paradies oder nur eine banale neue Wirklichkeit schafft.

up

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen