: Tränen und Trouble zum IWF-Ende
■ Polizei beendete „Rock gegen Reiche“ mit Tränengaseinsatz / Baustelle brannte lichterloh: Randale in der Neustadt gegen Bank-Filialen und Demofrust / Keine einzige Notiz im Polizeiprotokoll
Ein Großeinsatz der Polizei beendete in der Nacht zum Samstag vorzeitig eine Rockfete in der Mensa der Hochschule für Technik. Während auf der Bühne ge
rade harter wave der pillbox-boys für gute Stimmung unter den 400 bis 500 BesucherInnen sorgte, zogen plötzlich Tränengasschwaden über die Tanzfläche. Gästen,
die sich durch den Haupteingang an die frische Luft retten wollten, versperrten Polizeikordons den Ausgang. Auch der Hinterausgang war abgeriegelt. Augenzeugen berichteten gestern, einzelne Besucher seien von der Polizei gezielt aus der drängelnden Masse herausgegriffen und mit Faustschlägen und Schlagstockhieben traktiert worden, ehe sie nach Überprüfung ihrer Personalien wieder freigelassen wurden. Die Langemarckstraße und das Gebiet um die HfT blieb bis in die frühen Morgenstunden vollständig gesperrt.
Ab 19.30 Uhr hatten am Freitag Bremer Gegner des Internationalen Währungsfonds zum „Rock gegen Reiche“ geladen, Videos und Stelltafeln informierten über Anti-IWF -Aktionen im Bundesgebiet, Rock und Punk boten Gelegenheit, sich Wut auf Weltbankökonomen und Bremer Polizei aus dem Leib zu tanzen: Bei den Bremer Anti-IWF-Aktionen in den letzten Wochen hatte massive Polizeipräsenz die DemonstrantInnen regelmäßig um Lust und Wirkung gebracht. „Bis zur Fete herrschte Frust über den Verlauf der Bremer Anti-IWF-Aktionen“, beschrieben Teilnehmer gestern rückblickend Kater-Stimmung.
Möglichkeiten, den angestauten „Frust“ über die von schwer gerüsteter Polizei eskortierten Anti-IWF-Demonstrationen ab
zulassen, boten am Freitag gegen Mitternacht offensichtlich die Schaufenster von Commerzbank-und Bremer Bank-Filialen an der Langemarckstraße, Baufahrzeuge sowie handgerecht und massenhaft herumliegende Pflastersteine: Die Neuverlegung der Straßenbahnschienen verwandelt seit Wochen die Straße auf voller Länge in eine einzige Baustelle. Als die ersten Streifenwagen eintrafen, standen bereits mehrere Teer -Kanister mit „Bitumen-Verfugungsmasse“, die die Baukolonnen gleich palettenweise links und rechts der neuverlegten Gleise deponiert hatten, in Flammen, die Plastikplane eines Regenunterstandes für Baumaterialien brannte ebenso lichterloh wie ein Container mit Bauabfällen. Bagger und Baufahrzeuge hatten sich mit einem betrübten „Kracks“ von ihren Windschutzscheiben und Scheinwerfern verabschiedet, Schaufenster eines Copy-shops und eines Opelhändlers und die Verglasung einiger Telefonzellen hatten sich der ungewohnten Konfrontation mit Pflastersteinen gebeugt.
Die Polizei wurde von der nächtlichen Anti-IWF-„Randale“ offensichtlich völlig überrascht. Während sich in der Einsatzzentrale die Beschwerden häuften, wurden schleppend immer neue Streifenwagen in die Neustadt abkommandiert, nachdem die ersten Beamten sich bei ihrer Ankunft einem Hagel von Steinen ausgesetzt gesehen hatten. Als sich die Beamten schließlich „handlungsfähig“ fühlten, hatte sich die Lage in der Langemarckstraße fast wieder beruhigt, die Randalegruppen sich aufgelöst. Was die Polizei gleichwohl
zu dem massiven Einsatz in der HfT-Mensa veranlaßte, blieb am Wochende rätselhaft: Dem offiziellen Polizeiprotokoll war der Großeinsatz nicht einmal eine Notiz wert. Selbst der diensthabende Kommissar wollte nur vom Hörensagen von den Vorfällen wissen.
K.S.
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