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Shell soll sich aus Südafrika zurückziehen

Der Shell-Konzern ist sehr erbost über kirchlichen Boykottaufruf / Konzernchef schrieb bösen Brief an den Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen Die Boykotteure berufen sich auf Südafrikanischen Kirchenrat  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Der Boykottaufruf des in Genf ansässigen Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) gegen den Shell-Konzern wegen dessen Südafrika-Geschäfte hat zu einer scharfen Kontroverse zwischen ÖRK-Generalsekretär Emilio Castro und dem Präsidenten der „Königlich-Holländischen Ölfirma Shell“, L.C.vanWachem geführt. Das dokumentiert ein Briefwechsel zwischen Castro und von Wachem. Der ÖRK-Zentralausschuß höchstes Entscheidungsgremium zwischen den siebenjährlichen Vollversammlungen dieses Weltdachverbandes aller nichtkatholischen Kirchen - hatte auf seiner letzten Sitzung Mitte August in Hannover die „Unterstützung der internationalen Boykottkampagne gegen Shell“ beschlossen. Alle nationalen ÖRK-Mitgliedskirchen, die Gemeinden und einzelne Christen wurden aufgefordert, künftig Shell -Tankstellen zu meiden, um damit gegen die führende Rolle Shells bei Geschäften mit dem Apartheidstaat zu protestieren.

In einem Brief an Castro vom 25.August, äußert van Wachem „große Empörung“ über den ÖRK-Beschluß. „Die Verhängung wirtschaftlicher Maßnahmen kommt nur Regierungen zu, deren Entscheidungen wir respektieren“, schreibt van Wachem. Der ÖRK habe sich „die Rolle von Regierungen angemaßt mit dem Versuch, anderen seinen Willen aufzuzwingen und diejenigen zu bestrafen, die anderer Meinung sind über den besten Weg zur Beendigung der Apartheid“. „Die Konzentration der ÖRK -Kampagne auf Shell“, so van Wachem, „ist völlig willkürlich und ungerecht.“ „Zumal“, schreibt der Shell-Präsident, sein Konzern „an der Spitze der Opposition gegen die Apartheid“ stehe. Der Boykottaufruf des ÖRK zeuge von „unethischem und intolerantem Verhalten einer Organisation, die den Standards christlicher Moral verpflichtet ist“. In Südafrika seien „sieben weitere Ölkonzerne tätig sowie hunderte ausländischer Firmen“.

Zum Abschluß seines Briefes macht van Wachem Boykottaufrufe gegen Shell („die, soweit wir das beurteilen können, bislang keinen Einfluß auf unsere Verkaufsumsätze haben“) indirekt verantwortlich für „die willkürliche Beschädigung von über 120 Shell-Tankstellen in Westeuropa, von denen einige völlig abgebrannt wurden“.

In seinem Antwortbrief vom 16.September schreibt Castro, der Shell-Konzern unterstütze trotz seiner „oft geäußerten verbalen Verurteilung der Apartheid dieses System de facto durch seine Südafrikageschäfte“. Castro beruft sich auf den ehemaligen weißen burischen Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC), Beyers Naude, der 1987 alle Bemühungen, Shell zum völligen Rückzug aus Südafrika und Abbruch sämtlicher Geschäftsbeziehungen zu zwingen, als „logische Konsequenz aus einer SACC-Erklärung aus dem Jahr '85“ bezeichnete, wonach die Präsenz westlicher Konzerne eine entscheidende Stütze der Apartheid ist. Ihr Rückzug sei ein Beitrag für Frieden und Gerechtigkeit, für die sich einzusetzen nicht nur Regierungen die Verantwortung hätten, schreibt Castro. Naudes Nachfolger als SACC-Generalsekretär, Frank Chikane hatte in Hannover darauf hingewiesen, daß bei Shells Rückzug wegen der dann entstehenden Engpässe in der Benzinversorgung Südafrikas Militär weniger effektiv gegen die Bevölkerung vorgehen könne. Südafrika verfügt über kein eigenes Öl und ist auf Importe beziehungsweise äußerst kostspielige Energiegewinnung aus Kohleverflüssigung angewiesen.

Abschließend heißt es in Castros Brief, der ÖRK erkläre mit seiner Konzentration auf Shell nicht andere Ölkonzerne, die Südafrika belieferten, für unschuldig. „Wir fangen lediglich bei Shell an, dessen geschäftliches Engagement in Südafrika derzeit mit am offensichtlichsten ist. „Ein Sprecher Castros erläuterte dazu gegenüber der taz, Shell sei „zwar nicht der größte, aber einer der größten Öllieferanten Südafrikas“. Der Konzern betreibe darüber hinaus „umfangreiche Kohlegeschäfte mit dem Apartheidregime“. Der Boykottaufruf der ÖRK habe außerdem zumindest in Westeuropa einen gewissen Vorlauf durch die vor einigen Jahren begonnene Shell -Kampagne in den Niederlanden, dem Sitz des Konzerns. US -Kirchen betreiben inzwischen einen Boykott gegen Mobil-Oil, größter Öllieferant Südafrikas in den USA.

Der ÖRK erhofft sich bei einem Rückzug Shells aus Südafrika eine „Domino-Wirkung“ auf andere Ölkonzerne sowie eine „Wiederbelebung der internationalen Disinvestmentkampagne“. In letzter Zeit war es hier zu einer gewissen Ernüchterung gekommen, weil einige westliche Firmen zum Beispiel der Autobranche bei ihrem „Rückzug“ aus dem Apartheidstaat ihre dortigen Niederlassungen lediglich an südafrikanische Firmen verkauft oder heimischen Lizenzträgern übertragen hatten. Dadurch blieb der vom Disinvestment erhoffte wirtschaftliche Druck auf das Apartheidsystem ganz aus beziehungsweise nur gering. Dieses, so der ÖRK-Sprecher, sei im Fall Shells anders, wenn der Konzern bei einem Rückzug auch seine bisherigen Lieferkanäle nach Südafrika dichtmacht.

Damit es nicht beim bloßen Appell bleibe, erstellt die ÖRK -Abteilung für die „Bekämpfung des Rassismus“ (PCR) derzeit Materialien und Argumentationshilfen, mit denen die Mitgliedskirchen und Gemeinden vor Ort den Boykott wirksam organisieren können.

Weitere Informationen: ÖRK-PCR, 150 route de Ferney, 1211 Geneve 10, Tel.: 0041/ 22/916111; in der Bundesrepu blik: Anti-Apartheid-Bewegung (AAB), Blücherstraße 14, 5300 Bonn, Tel.: 0228/211355, oder Evangelische Frauenarbeit, Klingerstraße 24, 6000 Frankfrut/M., Tel.: 069/20482, und EKD, Herrenhäuser Straße 2, 3000 Hannover, Tel.: 0511/71110

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