: PRESSKÖPPE
■ „Schmutziges Schicksal“ von Sylvain Madigan
Vor ein paar Jahren wurde der holländische Brauereiboß Heineken auf spektakuläre Weise entführt - in Bierexpertenkreisen hielt sich damals lange das Gerücht, dieses ganze Drama sei nur ein von Heineken selbst inszenierter Fake gewesen, um durch die Publicity seine versauernden Biere an den Trinker zu bringen. Keine Ahnung, ob da was dran ist, aber überzeugt bin ich, daß seitdem Heinekenbier den Einzug ins Kino gehalten hat, bevorzugt als Alkbeigabe für kriminelle Psychopathologen wie z.B. Dennis Hopper in „Blue Velvet“, der immer durstig nach Heineken greint, wenn er nicht gerade auf seinem Gastrip zugedröhnt ist.
Als in „Schmutziges Schicksal“ nach zehn Minuten die erste Heinekenbüchse, fett ins Bild gerückt, gezischelt wurde, wunderte mich nichts mehr an dem Haufen durchgeballerter Neurotiker in diesem Erstlingsfilm des Franzosen Sylvain Madigan; was jedoch verblüfft ist die schier unerschöpfliche Energie, mit der es ans gegenseitige Einmachen geht, da wird gehauen und gestochen, hintergangen, betrogen und gelogen sämtliches Blau vom Himmel, das es hier nicht gibt. Um Erpressung dreht es sich, zappenduster ist die Nacht, Geld wird übergeben, obendrein kriegt der Erpreßte noch eine Ohrlasche. Tränen schießen in die Augen einer feisten Visage. Nächste Szene: wieder schallert's, der gerade noch Geschlagene ist der Schläger, von Beruf Schlachter, alles klar. Der kriegt kein zweites Mal Mitleid ab, und so heult er dann vergebens Rotz und Wasser, wenn seine Nuttenfreundin ihm gesteht (es geht um gemeinsame Nacktfotos), daß sie zusammenkluckt mit dem Erpresser, der ihr Freund und Zuhälter ist. „Leute auszunehmen wie 'ne Weihnachtsgans ist nichts Neues, es kommt auf den Stil an“ - Pauline Lafont als Nutte Rachel beherrscht diesen Stil im Bett, sie plündert die Männer nach bestem Wissen ohne Gewissen und alle fallen bei ihr rein. Ihre auf Unschuld getrimmten Augen und vorgeschobenen Schmollippen wirken allemal durchtriebener als das aufgeblasene Gangsterspielen ihres Zuhälters, der hinterher nicht nur wegen seines blutenden Zahnfleisches auf der Strecke bleibt. Dafür sorgt ein eigens vom Metzger Marboni angeheuerter Killer, ein verkappter warmer Bruder mit einem Schrank voller Totmachwerkzeuge bei Bedarf ausstattungsmäßig die Krönung in seiner Bude ist aber das Mutter-Theresa-Poster als Dart-Zielscheibe. Einen gewaltigen Sprung in der Schüssel haben alle Figuren, aber absolut nichts mehr zu kitten ist im Falle des Inspektors Marchadon, den als korruptes, intrigantes Arschloch zu bezeichnen eine verfehlte Höflichkeit wäre. Als Karikatur eines miesen Bullen grandios überzogen, kann man über seine Eskapaden nur bitter ablachen, zuviel wahrer Zynismus steckt dahinter wie er am Ende im Knast landet, ist allein das Eintrittsgeld wert. Daß Claude Chabrol, der Altmeister in der Demaskierung bürgerlicher Fratzen, seine Finger in diesem Film hat, ist auch ohne seinen Kurzauftritt als miesepetriger Chefbulle deutlich spürbar. Aber während Chabrol psychologisch seziert, hält es sein Schüler Madigan mit der Kasperklatsche, immer drauf auf die Dummköppe, die es nicht anders verdient haben, als an zwei Dingen zugrundezugehen, nach denen sie unaufhörlich gieren: Sex und Geld. Ein gemeiner Rundumschlag ist das, alles passiert nebeneinander, gleichzeitig, drunter und drüber; gehäufte Verstrickungen sind die Folge und lassen die Story manchmal zu arg durchhängen, da ist dann die Luft raus trotz praller nackter Titten, die penetrant das Bild ausfüllen. Ärgerlich, weil unnötig angesichts der bösartigen Verwirrung, die hier gestiftet wird.
Andreas Döhler
Ab heute im UFO 1, täglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen