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Die Eroberung der Zitadelle - zweiter Versuch

In Frankfurt läuft der Kommunalwahlkampf an / Der Schwabe Volker Hauff (SPD) soll den blassen Wolfram Brück (CDU) vom Sessel des Oberbürgermeisters verdrängen / Die Frankfurter Grünen haben eine eindeutige Koalitionsaussage zugunsten der SPD formuliert  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Bei den Kommunalwahlen 1985 haben die Christdemokraten die Metropole Frankfurt vor dem Ansturm des „rot-grünen Chaos'“ verteidigen können. Die größte hessische Stadt blieb als einzige hessische Großstadt fest in CDU-Hand - abgesehen von der rabenschwarzen Bischofsstadt Fulda. Doch damals hieß der christdemokratische Feldherr Walter Wallmann. Der heutige hessische Ministerpräsident warf seinerzeit sein ganzes Gewicht als Vorsitzender der hessischen CDU und als „Erneuerer“ der für unregierbar gehaltenen Metropole am Main in die Waagschale.

Vor den hessischen Kommunalwahlen im März 1989 sind die Karten anders gemischt. Die Frankfurter CDU geht mit einem Oberbürgermeister ins Rennen, dem böswillige Kritiker nachsagen, daß er das „Charisma eines scheintoten Hamsters“ hätte. Und in der Tat: Während Wallmann in der gespielten Pose des aufgeklärten Citoyen selbst abgeklärte Banker und Bordellbesitzer beeindrucken konnte, kämpft sein Nachfolger Wolfram Brück bislang vergeblich um Anerkennung. Der unscheinbare Oberbürgermeister, dem zum Buchhalter-Outfit nur noch die Ärmelschoner fehlen, paßt weder in die Rolle des weltoffenen Bourgeois noch in die des kämpferischen Führers einer Partei, die durch hausgemachte Bestechungsskandale ohnehin Kredit in der Bankerstadt verspielt hat. Und während im Römer die Staatsanwälte ein und ausgehen und diverse Abteilungsleiter „einfahren“, basteln Sozialdemokraten und Grüne an ihren Zukunftsentwürfen. Die Oppositionsparteien wittern Morgenluft, denn auch die christdemokratisch geführte Landesregierung hat sich in den knapp 18 Monaten ihrer Amtszeit nicht mit Ruhm bekleckert: Umweltminister Weimar steht vor dem Müllchaos, Kultusminister Wagner blamierte sich wiederholt mit schulpolitischen Kabinettstückchen und Innenminister Milde präsentiert sich provinzieller, als es selbst die Polizei in Frankfurt erlauben würde. Und auch Walter Wallmann, bei dem Johnny Walker kommt, wenn der Tag geht, hat seinen OB-Bonus in Wiesbaden nicht über die Zeit retten können. Selbst aus den eigenen Reihen wird ihm „Führungsschwäche“ vorgeworfen - hinter vorgehaltener Hand.

Die Frankfurter SPD, die seit 1977, seit „Dynamit-Rudi“ Arndts Zeiten, kein Bein mehr auf den Boden der City bekommen hat, zauberte schon 1985 erfolglos den Schwaben Volker Hauff aus dem Hut. Die Niete von damals soll im nächsten Jahr die Sozialdemokraten in die 40-Prozent-Ränge katapultieren, denn aus dem „drögen Volker“ (taz) soll der „metropole Hauff“ (taz) werden. Weil bei der SPD die Würfel gefallen sind, treten einige für Hauff ein, die vorher lieber die kämpferische „rote Heidi“ Wieczorek-Zeul auf dem Kandidatensessel gesehen hätten.

„Volker“ ist überall. Der Mann aus dem Lande der Spätzle schneidet sein „Ripple“ auf diversen Volksfesten klein, begeht mit den Ortsbeiräten die Problemzonen der Stadt und hat (fast) täglich etwas zu sagen - via Presseerklärung. Die SPD-Kandidatenschmiede hat gut zwei Jahre an Hauff „herumgehämmert“, um ihren Mann auf großstadttauglich, intellektuell und - bei Bedarf - volksnah zu trimmen. Jetzt fehlt dem smarten Ex-Bundesverkehrsminister, der sich Anfang der achtziger Jahre als Startbahnbau-Befürworter in der Frankfurter Szene mehr als unbeliebt gemacht hatte, nur noch der rechte Maßanzug vom Metropolenschneider, damit der Kandidat nicht länger wie sein eigener Chauffeur ausschaut.

Damit es im März 1989 auch klappt mit der Machtübernahme in Frankfurt, haben sich die Grünen eine lupenreine Realo-Liste zusammengewählt. Die Kandidaten und Kandidatinnen der Öko -Partei erklärten vor und nach ihrer Wahl ausdrücklich und wiederholt, daß eine Koalition mit der Hauff-SPD das Ziel ihrer kommunalpolitischen Wünsche sei. In dieser Klarheit hat sich die SPD zwar noch nicht geäußert, doch Hauff und seinen Strategen ist klar, daß der Weg zurück an die Macht in Frankfurt nur zusammen mit den Grünen beschritten werden kann. Immerhin gab es bei der Hessenwahl im April 1987 in den Szenevierteln der Stadt 20 Prozent und mehr für die Grünen. Die Liste der Grünen für die Kommunalwahlen „ziert“

-sehr zum Ärger der Frankfurter Fundamentalisten - Herren der Realpolitik: Daniel Cohn-Bendit, Micha Brumlik, Margarethe Nimsch, Tom Koenigs, Lutz Sikorski und andere mehr. Und Cohn-Bendit hat seine Vorstellungen von der Neustrukturierung der Metropole offengelegt: „In einer postnationalen Metropole wird sich keine Zuckerbäckeridylle mit direktem Apfelweinanschluß finden lassen, vielleicht aber etwas von einer geistigen Utopie, die wir dringend benötigen: Der kosmopolitische Liberalismus als städtische Identität.“

Daß sich dies mit den sozialdemokratischen Vorstellungen von der Stadt als „monströser Servicestation“ (Grüne) noch beißt, versteht sich. Volker Hauff, der sich als Trollinger -Liebhaber selbst den sauren Apfelwein mit Todesverachtung hinter die rote Binde gießt, um zu demonstrieren, daß er „Frankfurter unter Frankfurtern“ geworden ist, wird Mühe haben, in den Entwürfen der Grünen für die lebenswerte Metropole den sozialdemokratischen Versorgungsaspekt zu orten. Doch Tom Koenigs hat Hauff schon den Ausweg aus der Bredouille signalisiert. In Frankfurt herrsche „Harmonieverbot“. Koenigs: „Nichts darf zueinander passen, sonst paßt's nicht zu Frankfurt. Das hat schon Goethe bemerkt.“

Der gemeinsame Kampf der (noch) Oppositionsparteien gegen Brück und seine rechtskonservative Mannschaft zwingt ohnehin zur „Eintracht“. Der Versuch des OB, die Ausländer und Asylbewerber in der Stadt per „Aufrechnungsquote“ gegen die deutschstämmigen Aussiedler aus Osteuropa aufzurechnen, hat zu einhelliger Empörung bei den Oppositionsfraktionen im Römer geführt. Ohnehin stehen Brück und seine Mannen mit ihren Zukunftsentwürfen, die sich an Wachstum und nationalem Pathos orientieren, innerhalb des politischen Spektrums der Stadt alleine da. Der Frankfurter Bestechungsskandal hat schon fast die Ausmaße des Transnuklear-Bestechungsskandals angenommen, und nahezu täglich schreiben die Lokalzeitungen über den christdemokratischen Filz, der im Römer und in den Ämtern als Teppichersatz auf dem Boden liegt.

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