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Massengräber mit Stalinopfern

■ 'Moscow News‘ berichtet von sechs gefundenen Massengräbern mit 102.000 Opfern des Diktators / Amtliche Untersuchungskommission: Eine „Tragödie des Volkes“

Moskau (afp) - Massengräber mit insgesamt etwa 102.000 Opfern der Säuberungen unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin sind im Gebiet von Kuropaty (Weißrußland) im Westen der UdSSR entdeckt worden. Dies berichtete am Mittwoch die englischsprachige amtliche Zeitung 'Moscow News‘. Die 510 in den Jahren 1937 bis 1941 angelegten Gräber enthielten alle jeweils 200 Leichen, schrieb das Mitglied der Kuropaty -Untersuchungskommission, der Archäologe Senon Posnjak, in einer Bilanz der Ausgrabungsarbeiten.

In dem 'Moscow News'-Artikel über diese amtliche Untersuchung werden fünf weitere Massengräber in der Umgebung von Minsk aus der Stalin-Ära erwähnt. In den meisten großen Städten der Weißrussischen Republik habe es Serien von Massenhinrichtungen gegeben. 170 Augenzeugen erstatteten Posnjak zufolge der Kommission Bericht: Uniformierte Agenten des NKWD, des Vorläufers der Geheimpolizei KGB, hätten die Leute in ihren Orten festgenommen, in geschlossene Lastwagen verfrachtet und später erschossen. Die Kuropaty-Kommission, die der weißrussischen Staatsanwaltschaft unterstellt ist, führte die erste amtliche Untersuchung der Stalinschen Repressionen durch. 'Moscow News‘ nannte die Massaker eine „Tragödie des Volkes“.

Die Untersuchungen der Gräber haben nach Darstellung von Posnjak ergeben, daß die ersten Opfer in den Jahren 1937 und 1938 aus den einfachsten Bevölkerungsschichten stammten. Die Kleidung und die bei den Leichen gefundenen persönlichen Gegenstände deuten darauf hin, daß nach 1939 vermehrt Angehörige der Intelligenz-Schicht von den „Säuberungen“ erfaßt wurden. Sie wurden offenbar „ohne Prozeß liquidiert“, bemerkt Posnjak; viele Opfer seien Frauen gewesen. Der NKWD habe damals den Informanten, die der Geheimpolizei „Feinde“ der Revolution denunziert, 15 Rubel gezahlt.

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