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Jugoslawiens KP-Chef will durchgreifen

■ Konsequenzen im ZK angekündigt / Miloseviv umjubelt

Belgrad (afp/ap) - Mindestens tausend Arbeiter der Firma Rekord aus Rakovica, einem Industriegebiet bei Belgrad, haben gestern vor dem jugoslawischen Bundesparlament für höhere Entlohnung demonstriert. Die Arbeiter der Firma Rekord wurden im Parlamentssaal vom Bürgermeister empfangen, den sie jedoch durch ihre Rufe nach dem neuen starken Mann der kommunistischen Partei Serbiens, Slobodan Milosevic, gar nicht zu Wort kommen ließen.

Auch am Dienstag war es zu einer regelrechten Huldigung an „Slobo“ gekommen, dem die Demonstranten in Sprechchören ihr Vertrauen aussprachen. Während die Arbeiter zunächst für eine hundertprozentige Gehaltserhöhung demonstrierten, ging diese Forderung nach dem Auftritt von Milosevic völlig im Jubel für dessen politisches Programm unter. Der stellvertretende Ministerpräsident Milos Milosavljevic und Parlamentspräsident Dusam Popovski wurden hingegen ausgepfiffen.

Ohne auf die Lohnforderungen näher einzugehen, versprach der serbische Parteichef den Arbeitern, daß alle ihre Forderungen „unverzüglich“ in den zuständigen Gremien beraten würden. Zunächst jedoch müsse Serbien eine neue Verfassung erhalten, die der Republik alle Rechte über die autonomen Provinzen Kosovo und Wojwodina zurückgibt.

Der neue Chef des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, Stipe Suvar, hatte am Dienstag abend im Fernsehen weitreichende personelle Konsequenzen der anhaltenden wirtschaftlichen und politischen Krise des Landes angekündigt.

Bis zu einem Drittel der Mitglieder des Zentralkomitees und der Mitglieder des Parteipräsidiums (Politbüro) könnten aus ihren Ämtern entfernt werden, erklärte Suvar. Das Präsidium werde dem für den 17.Oktober einberufenen ZK entsprechende Empfehlungen zuleiten.

Wie Suvar weiter ausführte, wird das Präsidium in den nächsten Tagen den Versuch machen, Kriterien aufzustellen, nach denen die für die schwierige Lage des Landes Verantwortlichen ermittelt werden sollen. Sollte dies nicht gelingen, so werde diese Aufgabe dem ZK zufallen. Jene ZK -Mitglieder, die nicht mindestens zwei Drittel der Stimmen des ZK erhielten, müßten dann ihren Abschied nehmen, fügte der Parteichef hinzu. Suvar kündigte gleichzeitig ein ähnliches Revirement in der Parteiführung der sechs Teilrepubliken und zwei autonomen Provinzen des Landes an.

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