: Serbische Parteispitze tritt zurück
■ Demonstranten wollen Autonomie der Provinz Wojwodina einschränken und fordern Rücktritt der Provinzregierung
Berlin (taz) - Der Parteichef der jugoslawischen Provinz Vojvodina, Milovan Sogorov, hat gestern den Rücktritt der gesamten Parteispitze dieses Landesteils angekündigt. Zuvor hatten rund 100.000 Demonstranten vor dem Parlament der jugoslawischen Provinz Wojwodina in Novi Sad gegen die Regierung demonstriert. Die Demonstranten forderten wie schon am Mittwoch den Rücktritt der Regierung der Wojwodina, in der auch Vertreter der starken ungarischen, slowakischen und rumänischen Minderheiten der Provinz zu finden sind. Wie das jugoslawische Fernsehen berichtete, versuchte die Menge am Mittwoch mehrmals, in das Gebäude des Zentralkomitees von Wojwodina einzudringen, wurde aber von der Polizei daran gehindert. Die Demonstration löste sich erst auf, nachdem den Demonstranten versichert worden war, daß das Zentralkomitee der Partei der Wojwodina am Donnerstag nachmittag auf einer Dringlichkeitssitzung die Ablösung von Spitzenfunktionären erörtern werde. Auch das serbische ZK sollte sich am Donnerstag mit den Umbesetzungen in der Wojwodina beschäftigen. Hintergrund für die Dmonstrationen war der Beschluß des örtlichen ZK, zwei seiner Mitglieder zur Rechenschaft zu ziehen, die auf früheren Kundgebungen lautstark für den serbischen Parteichef Position bezogen hatten, denn bisher hat die Mehrheit der führenden Gremien der Provinz die autonomen Rechte gegen den Druck aus Belgrad bisher offensiv verteidigt. Gerade an der serbisch -nationalistischen Kampagne in der Wojwodina zeigt sich nach Meinung der Gegner Milosevics die Verlogenheit des Vorgehens der serbischen Parteiführung in der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz Kosovo.
Die von zahlreichen serbischen Medien verbreiteten Schauermärchen über die angeblichen Übergriffe der Albaner gegenüber den in Kosovo lebenden Serben entpuppen sich gemäß dieser Meinung zunehmend als durchsichtiges politisches Manöver, um über die nationalistische Massenmobilisierung in Serbien die Ziele der serbischen Parteiführung durchzusetzen und einen Machtanspruch auf ganz Jugoslawien anzumelden.
Erich Rathfelder
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