: JuristInnen für Methadon
■ Richter und Staatsanwälte in der ÖTV fordern vom Senat Methadonprogramm in Bremen und Einbezug der Justiz-Vollzugsanstalten / „Ein Gebot der Menschlichkeit“
Der Bremer Senat soll umgehend die Voraussetzungen für ein Me-thadonprogramm nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens schaffen. Das forderten gestern die Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bremen.
Von den üblichen Therapien, die völlige Drogenabstinenz zu Beginn voraussetzen, so die JuristInnen, werden rund 30 Prozent der Drogenabhängigen „gar nicht erfaßt“ - etwa die sogenannten „Altfixer“. Bernd Asbrock, Richter am Landgericht Bremen, sprach sich deshalb dafür aus, ergänzend zu den bestehenden Hilfsangeboten für Heroinabhängige ein solches Drogenersatzprogramm anzubieten: „Dies ist nicht nur ein Gebot der Gesundheitsvorsorge, sondern auch der Menschlichkeit. Man überläßt sonst diese Suchtkranken einfach ihrem Schicksal.“
Rechtliche Bedenken gegen die Vergabe von Methadon sind nach
Ansicht der ÖTV-JuristInnen nicht stichhaltig. Der Bundesgerichtshof habe bereits 1979 entschieden, daß eine Methadon-Therapie als qualifizierte ambulante Substitutionsbehandlung bei ausgewählten Drogenabhängigen rechtlich zulässig sei, wenn sie ärztlich begründet ist und nachrangig eingesetzt wird. Um Mißbräuche und Fehlschläge zu vermeiden, sind nach Ansicht der gewerkschaftlich organisierten Richter und Staatsanwälte für ein Bremer Methadon-Modell aber klare Rahmenbedingungen und ein begleitendes psycho-soziales Betreuungsprogramm unerläßlich.
Außerdem halten die ÖTV-JuristInnen die Vergabe der Ersatzdroge an aidskranke und HIV-infizierte Drogenabhängige auch im Knast für unerläßlich.
Zur Begründung verweisen die JuristInnen auf ihre beruflichen Erfahrungen: „Die Drogenabhängigen befinden sich in einem Kreislauf von Sucht, Kriminalität
und Haft, der oft nur durch den Tod beendet wird. Polizei und Justiz vermögen diesen Kreislauf nicht zu durchbrechen sie sind ein Teil desselben“, erklärte Asbrock.
Ein 29jähriger Bremer wurde nach Angaben der Polizei gestern tot in seiner Wohnung gefunden. Der Körper des Mannes, der nicht als Konsument harter Drogen bekannt war, wies mehrere Einstiche auf. In der Wohnung wurden geringere Betäubungsmittel-Mengen gefunden. Die genaue Todesursache sei noch nicht bekannt. In Bremen ist die Zahl der Drogenopfer in diesem Jahr auf inzwischen 25 stark angestiegen. Im vergangenen Jahr hatte die Bremer Polizei 29 Drogentote registriert. Nicht mitgerechnet sind dabei die Drogenabhängigen, die durch fehlende medizinische Versorgung, an Folge-Erkrankungen ihrer Sucht, ihren Wohn -und Lebensverhältnissen oder ihrer sozialen Lage gestorben sind. S.P./dp
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