: Hör-Rohr: "Tod eines deutschen Clowns" / "Juden in der Weimarer Republik" / Wege zur Selbstzerstörung oder: Die Ballade von Chet Baker" / "Lebendige Geschichte" / Interview mit einem Neandertaler "Unmögliches Interview"
2*1. („Tod eines deutschen Clowns“, Sonnabend, 2005-2200, Deutschlandfunk). Der kosmische Schwadroneur Paul Scheerbart - Konstrukteur eines perpetuum mobile, Literat, Biertrinker und Außenseiter für alle Gelegenheiten - war Bewohner einer Welt für sich. Der DDR-Autor Holger Jackisch stellt sie in seinem ersten Hörspiel vor. Bemerkenswert auch: gesendet werden zwei Aufnahmen dieses Hörspiels. Die Inszenierung des Rundfunks der DDR von 1987 und die des Süddeutschen Rundfunks von 1988. Der Wettstreit zwischen Ost und West um den deutschen Literaturclown gibt die seltene Gelegenheit, einmal gründlich zu verfolgen, welche Macht die Inszenierungsform über das Ohr besitzt.
Nachholbedarf. („Juden in der Weimarer Republik“, Sonnabend 2015-2200, WDR 3). Mit in den Massengräbern verschwunden blieb lange Zeit jedes Bild davon, wie und als was Juden in Deutschland lebten, bevor sie vom gelben Stern erst aus ihrem Leben gerissen wurden, um schließlich auch im Wortsinn aus dem Leben gerissen zu werden. Auf die Spuren dieser 15 Jahre Weimarer Republik begibt sich Leo Waltermanns Sendung. Erkundung einer Welt, die zum Phantom wurde.
Abstürzende Linien. („Wege zur Selbstzerstörung oder: Die Ballade von Chet Baker“ (1), Sonnabend, 2230-2400, NDR 3). Wenn der mit Dämonen ringende Trompeter spielte und sang: „A lucky star's above but not for me“, erkannten sich die Angeschlagenen und Brüchigen des Lebens darin wieder. Bis seine Lebenslinie aus einem Amsterdamer Hotelzimmer stürzte, blieben seine musikalischen Linien makellos. Der Mann war, alles in allem, ein Phänomen der Gradlinigkeit, und so wird dieser sichere Weg in die Selbstzerstörung heute nachzuzeichnen begonnen.
Halbheiten & Ganzheiten. („Lebendige Geschichte“, Sonntag, 1305-1320, Radio DDR II). Der alte Grantler und Machtpolitiker Adenauer prägte einst das Bonmot: „Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb.“ Daran läßt sich nun allerdings hinreichend herumdeuten, und die DDR-Geschichtsschreibung nutzt diesen Ausspruch zwischen Zynismus und Jeckentum, ihre Version von der Halbierung des Ganzen zu erzählen. Mitunter ist es recht nützlich, diese Version anzuhören, weil sonst das halbe Bild von Gründungsvätern wie Adenauer zu schnell zum ganzen wird.
Interview mit einem Neandertaler. („Unmögliches Interview“, Sonntag, 1635-1700, SWF 1). Freundlicherweise erklärte sich in der Nähe von Düsseldorf, wo er sich vor 35.000 Jahren niederließ, einer der Neandertaler zu einem Gespräch mit Italo Calvino bereit. Er will dem Schriftsteller, der stets ein offenes Ohr für älteste und unmöglichste Dinge hat, aus seinem 35.000-Jahre-Gedächtnis nahebringen, daß alles schon einmal dagewesen ist. Nichts daran ist überraschend, besonders nicht, wenn man einen Neandertaler einem italienischen Schriftsteller anvertraut.
up
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen