: Anti-Atomterror-Einheit in Ramstein
■ Report an Reagan bestätigt Anti-Atomterror-Einheit für Europa auf bundesdeutschem Boden / Kampf gegen Atomterror wird in Europa regelmäßig simuliert / Zimmermann dementiert eigenes Dementi
Berlin (taz) - Es gibt sie doch, die amerikanische Anti -Atomterror-Einheit auf deutschem Boden, von der BKA-Chef Heinrich Boge noch Ende September nichts wissen wollte und deren Existenz auch Innenminister Zimmermann immer wieder dementieren ließ. Das geht aus einem gemeinsamen Bericht des US-Verteidigungs- und des US-Energieministeriums an Präsident Reagan aus dem Jahre 1984 hervor.
Das ursprünglich geheime Papier wurde jetzt nach dem Gesetz über die Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) freigegeben und liegt der taz vor. Danach wurde eine Abteilung des sogenannten „Nuclear Emergency Search Team“ (NEST) „1982 für den europäischen Schauplatz in Deutschland eingerichtet“. Eine weitere Einheit sei „1984 für den pazifischen Kriegsschauplatz in Guam“ installiert worden. Die NEST-Einheiten setzen sich aus „Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern“ des US-Energieministeriums zusammen und haben die Aufgabe, „flächendeckend verlorengegangene oder gestohlene Atomwaffen, Kernmaterialen oder selbstgebaute Atomsprengsätze wiederaufzufinden“.
Aus dem Bericht geht ferner hervor, daß die NEST-Einheiten in den USA selbst, aber auch in England und auf Guam in regelmäßigen Abständen „terroristische Aktivitäten“ simulieren und entsprechende Übungen absolvieren. Tatsächlich wurde allein 1984 sechsmal mit der Zündung eines selbstgebastelten Atomsprengsatzes gedroht. Die Aktionen seien aber „sämtlich nicht glaubhaft genug gewesen“, heißt es in dem Report, „um die vollständige Aktivierung der NEST -Einheiten zu rechtfertigen“. Im Januar 1981 kam die Atomterror-Truppe mit 42 Mann zum Einsatz, als Unbekannte drohten, mit Plutonium versetzte Sprengsätze in einem Hotel in Reno (US-Staat Nevada) hochgehen zu lasse.
Unterdessen bestätigte ein Beamter des State Department, der nicht namentlich genannt werden will, daß die NEST -Einheit für Europa auf der US-Airbase in Ramstein stationiert sei.
Die Diskussion über die Anti-Atomterror-Einheit war vor zwei Wochen von dem Amerikaner Paul Leventhal vom Washingtoner „Nuclear Control Institute“ ausgelöst worden. Der Wissenschaftler hatte vor dem Bonner Atom -Untersuchungsausschuß über die Einheit auf deutschem Boden berichtet. BKA-Chef Heinrich Boge erklärte daraufhin, er wisse nichts von einer solchen Einheit. Ministerialrat Fechner vom Bundesumweltministerium bestätigte vor dem Ausschuß hingegen ihre Existenz, nahm diese Äußerung aber später wieder zurück. Zimmermann-Sprecher Butz reagierte mit einem Dementi. Gestern trat Zimmermanns Sprecher Bachmeier die Flucht nach vorn an, dementierte das Dementi und gestand die Existenz der US-Einheit in der BRD grundsätzlich ein. Zu diesem Zeitpunkt war offenbar klar geworden, daß sich die Existenz der Einheit nicht mehr länger würde leugnen lassen.
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