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Das wichtigste Buch

■ Die ersten zehn Jahre der Zeitschrift 'Sinn und Form‘ jetzt im Reprint

Das wichtigste Buch dieser Messe, jedenfalls was die deutschsprachige Produktion angeht, ist kein Buch, sondern eine Zeitschrift: der Reprint von 'Sinn und Form‘. Hergestellt - das ist ein Novum bei deutsch-deutschen Koproduktionen - wurde das Werk in der BRD, bei Greno. Zehntausendsiebenhundertzweiunddreißig Seiten in elf Bänden bis Jahresende für 398 Mark, danach 480 Mark. Ein Panorama mit ganz und gar unerwarteten Beiträgen.

Gleich im ersten Heft ein Auszug aus dem Odysseus-Kapitel der „Dialektik der Aufklärung“, im Heft 9 des Jahrgangs 1957 Gedichte von Hans Magnus Enzensberger, ein Jahr zuvor war Heißenbüttel vertreten gewesen. Sehr viel Hans Henny Jahn. 1950 durfte sogar Herbert Marcuse in „Sinn und Form“ erscheinen. Außerdem natürlich noch Bloch, Lukacs, Becher, Brecht und sehr viel aus der Sowjetunion. Die Ausgabe bietet in Band 11 auch die gesuchten Sonderhefte. Die DDR scheint ihre Giftschränke zu öffnen. Bei Nachfragen stellt sich freilich heraus, daß sie sie nur vergrößern. Greno druckt 6.000 Exemplare. 1.000 gehen davon in die DDR. Vorzugsweise an Bibliotheken, deren Bestände stark gerupft wurden in all den Jahren, da man Autoren wie Bloch und Havemann, Harich und Hans Mayer nicht mehr hatte lesen dürfen. Ein paar andere an die Zensoren, die vor 40 Jahren Peter Huchel Schwierigkeiten über Schwierigkeiten machten. Vielleicht bekommen die Autoren auch einige Belegexemplare. Der bundesrepublikanische Leser wird heute wahrscheinlich die weniger guten Beiträge noch mehr genießen als die großartig geglückten. Willi Bredels Stalin-Nachruf zum Beispiel wird möglicherweise, da weder der Lobende noch der Gelobte weitere Schandtaten begehen können, seinen grausigen Charme entfalten können. Eine runde Sache also, dieser Reprint.

A.W.

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