: Wenig getanzt und viel gesprochen
■ Tanz-Theater hatte Premiere mit „Promenade“ / Eine Nachurlaubs-Betrachtung über die jährlichen Sommer-Urlaubs-Wehen / Pure Reproduktion des Banalen / Inszenierung: Hans Man in‘ t Veld
Auf der Bühne: Ein hölzerner Laufsteg mit Geländer, eine weiß-getünchte Strandpromenade im Stil der 50er Jahre. Der Ort: Irgendwo im sonnigen Süden. Ferien-Zeit. Neun Personen wollen aus dem gewöhnlichen Alltag ausbrechen. Sie ordnen sich zu Paaren. Der italienische „ragazzo“, der übrig bleibt, spielt den Freizeit-Animateur (Ricardo de Barelli). Die Paare parlieren im europäischen Sprachgemisch, sie führen die Schablonen ihrer Ehen vor. Sie zeigen die verhaltenen und verquälten Versuche, am Strand der Normalität zu entkommen. Sie erinnern sich an die ersten Begegnungen, die ersten Küsse und die rührenden Schnulzen („Heißer Sand“), die ihre frühen Jahre begleiteten. Ihre Träume sind Klischees. Marianne Faithful singt aus dem Kassetten-Recorder am Anfang und am Ende des Stücks von „broken dreams“.
Szenen und Dialoge haben die Mitglieder des Tanztheater -Ensembles unter Anleitung von Hans Man in't Veld entwickelt. Der niederländische Regisseur hat 15 Jahre das Amsterdamer „Het Werk Theater“ geleitet, eine freie Gruppe, die sich vor allem zeitbezogener Themen angenommen und sie „in einem ge
meinsamen kreativen Prozeß aller Beteiligten“ erarbeitet hat. „Diese Arbeitsweise“, heißt es im Programmheft, „ist an deutschen Theatern noch immer eine Seltenheit.“
„Promenade“ vom Bremer Tanztheater ist eine Nachurlaubs -Betrachtung über die jährlichen Sommerurlaubs-Wehen. Es wird wenig getanzt und viel gesprochen. Aber die pure Reproduktion des Banalen, der tödlich-traurigen Wortwechsel
-am dichtesten noch in einem Ionesco-Zitat - erzeugt nicht viel mehr als eine larmoyante Tristesse. Selten gelingen dem Stück überraschende Bilder, schöne und gewitzte Szenen wie die einer Touristengruppe, die erst ein schwules Paar am Strand angafft, um sich dann von der einfühlsamen Reiseführerin eine Schiffskatastrophe ausmalen zu lassen. Stephane Slechets Spiel (als Reiseführerin und Claudia) gehört zu den Lichtblicken dieses Abends. Neun Personen auf der Suche nach Glück öffnen ihre Frustkoffer. Was herauskommt, sind die bekannten Klamotten, die bekannten Erinnerungen, das übliche Gerede: Nichts Neues auf der Promenade der verlorenen Zeit.
Hans Happel
9., 12., 14., 15., 20., 22., 23. und 29. 10.'jeweils 20 Uhr.
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