: Bremer Glitzer-Rock
■ Die Bremer Band „Platin Bells“ gastierte auf dem Weg in die Hitparaden im Römer vor lauter ungeputzten Spiegeln
Bremen mag in musikalischer Hinsicht zwar tiefe Provinz sein, ein Konzert gar schlecht besucht oder der Verkauf einer Single etwas schleppend anlaufen. Das alles mögen die Mitglieder der Bremer Band Platin Bells noch gern ertragen, nur mit einem wollen sie nun gar nichts zu tun haben: Der Begriff „Hobby-Musiker“ ist ihnen ein Greuel, denn was die fünf vorhaben, „ist nur auf semi-profesioneller Ebene zu schaffen.“ In die Charts wollen sie, mehr nicht, und sie sind sich darüber bewußt, daß „eine Menge Power und Zähnezusammenbeißen dazugehören.
Ein weiterer Schritt in diese Richtung sollte am Donnerstag letzter Woche ihr Gig im Römer sein. Und siehe da, eine Mitarbeiterin von Radio Bremen engagierte sie für einen Auftritt im Fernsehen.
Dort werden sie garantiert von mehr Menschen gesehen, als bei ihrem Live-Konzert. Wenige ZuhörerInnen verloren sich im Römer vor der Bühne, auf der sich die Edelmetall-Glocken redlich abmühten, etwas Stimmung zu entfachen.
Es soll ja Leute geben, die mit der Musik von Suzy Quatro, Sweet oder Gary Glitter großgeworden sind. Sie hätten sich bestimmt sauwohl gefühlt bei einer solchen Konzentration geballten Glitterrocks.
Zwar schimmerten vor den ungeputzten Spiegeln des Aufführungsortes nur die goldenen Reverse der Musikerjackets, doch der Spaß war allen Beteiligten
nicht abzusprechen. Kaum, daß Torsten Gluschke (git/voc) mehrere hehe in das Publikum rief, schallte es auch schon im Chor zurück.
Nicht ganz so diszipliniert war allerdings die Reaktion auf die Aufforderung zu tanzen. So mußte das obligate „do you feel allright? “ als kleine Rückversicherung herhalten und natürlich waren alle gut drauf, schließlich hatten sie für das Glitter-Encounter im 70er Jahre Stil Eintritt bezahlt.
„Die Substanz dieser Musikära“ wollen die Bells erhalten und darum haben sie auch eine Menge Cover-Versionen dieser Zeit im Repertoire. Wirkungsvoll verstärkt durch zwei Saxophonisten (Heino Kraft, Uwe Sydow), die im Zusammenspiel kraftvolle Figuren bliesen, machten sie keinen Hehl aus ihrer Liebe zum Teenie-Rock. „Das war früher mal als Pop verschrien“, sagen sie, „doch das ist längst nicht mehr so.“
Daß sie die musikalischen Verwandschaften zu Alvin Stardust oder Mud immer in englisch ankündigten, hatte ganz allein ästhetische Gründe, schließlich ließe sich ein „c'mon touch me“ nur sehr unvollkommen übersetzen. Der Hinweis auf die neuerschienene Platte geriet dann doch im breitesten Bremisch. Begründung: „Unsere ZuhörerInnen sind zwischen 15 und 20. Da kann immer mal jemand mit 'nem Englisch-Grundkurs „Fünf“ dabei sein.“
Lobsang Samten
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