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BEFREIT AFRIKA!

■ „Europa von Außen“ - Über den simulierten Dialog

Das Selbstbeweihräucherungsprogramm von E 88 bedient sich in der Weite des Begriffs auch Marginalien. „Europa befaßt sich nur noch mit sich selbst, vielleicht gerade deshalb, weil es mit dem Unfaßbaren, das es sich selbst und den anderen zugefügt hat, nicht fertig geworden ist.“ (B. Breytenbach) Wie schwer die Außenpositionen jedoch jenseits des programmatisch Erlaubten ins Programm passen, zeigte schon der erste Abend der Lesungsreihe „Europa von Außen“, veranstaltet vom DAAD und Lit. Coll. vom Samstag. Zwei Dichter, Chinua Achebe aus Nigeria, zugleich mehrfacher Gastprofessor und Jean-Marie Adiaffi vom Land der Agni an der Elfenbeinküste, Professor für Philosophie, stellten sich dem Auditorium. „Ich glaube nun mal daran, daß Bücher etwas bewirken können.“ Achebe appellierte an eine „Nützlichkeit“ der Literatur, was er mit einer Geschichte vom Bundesverfassungsrichter Wolfgang Zeidler illustriert, der nach Romanlektüre von seinem Vorhaben, in Namibia staatstragende Seniorenaufgaben zu übernehmen, abgelassen habe. „Natürlich kann sie“, nämlich die Literatur, politische Gegebenheiten verändern. Das hören wir natürlich gern. Der zwar als Entertainer gewandtere Adiaffi läßt nichts zur Europafrage verlauten, statt dessen gefällige Selbstpräsentation. Erst im Diskussionsteil des Abends wird die Frage nach seiner politischen Dimension gestellt: Die Frage der „geistigen Dekolonisation“. Oder wie fühlt sich ein Sklave, der von seinem Ausbeuter eingeladen wird, über die Beherrschungsverhältnisse zu sinnieren? „Großzügige Gastfreundschaft!“ (Die jeweils einführenden Professoren mitgerrechnet). Und welche Sprache spricht er dabei? Eine Parabel vom Neger, der vom Weißen ins Feuer geschubst wurde und nun die Worte von Hilfe und Selbsthilfe unverstanden hin - und herübersetzt, wird dabei erst in den Versprechern der Übersetzerin verständlich. „Europa von Außen“ ist ein „Thema“, das kaum faßbar wird außer in den europäischen Terminologien der Sklaverei („Wir sind eben die Schweine -Pforte“). Zur Frage nach der Brauchbarkeit einer europäischen Sprache („His master's voice“) kommt man nicht, nicht ohne die Begrifflichkeit des Politischen zu bemühen. „Die Unmöglichkeit der Unterdrückten, ihre Rechte und ihre Würde zu formulieren, das heißt ihr Sein zu artikulieren, mündet in den Aufschrei, in die fieberhaften Phantasmen der Verzweiflung“ (Rezensent Dippolt über La Carte D'Identite von Adiaffi). „Wir wissen sehr gut, daß wir nicht in Berlin das Problem lösen werden“ - es geht bestenfalls um Sympathiesantengewinnung. Und wer wollte seine Sympathie jenen Erbprinzen im Goldbordüren-Brokat verweigern, deren revolutionäres Potential die Menschenliebe ist.

Vogel

Heute um 20 Uhr im Literarischen Colloquium, Am Sandwerder 5, Mayse Conde aus Guadeloupe und Ngugi wa Thiongo, Kenia.

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