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Eine neue und eine alte „echte Mannschaft“

■ Wen kümmert das Niveau? Ein Punkt des Aufsteigers beim Meister ist ein Erfolg / Bremen-St.Pauli ohne Tore

Bremen (taz) - Werder Bremen - FC St. Pauli Hamburg: 0:0 Tore, 18:3 Ecken, 9:1 Tormöglichkeiten. Werder Bremen - FC St. Pauli Hamburg: 85 Minuten Ballgeschiebe, Flankenschlagen, Kopfbälle Richtung Hamburger Tor und ebensolange Ball wegtreten, wegbolzen, weghauen, irgendwohin. Ins Seitenaus, auf die Tribüne. Die verbleibenden fünf Minuten spielte St. Pauli Fußball, versuchte Werders Tor mit dem Ball am Fuß zu erreichen.

„Kein besonders gutes Spiel“ nannte Trainer Schulte das. Kolumnist Udo L. hatte schon vor dem Spiel Noten verteilt. „Schlechtester Sturm der Bundeliga“ war das Prädikat für die Herren Ottens und Steubind vom Millerntor. „Das sind die Zweitbesten“ (hinter dem VfB) lobte er Burgsmüller, Ordenewitz und Riedle, das Bremer Trio. Am Samstag im Weserstadion vor 18.000 Zuschauern, bei denen nach einer Stunde nicht mehr zu unterscheiden war, ob sie St. Pauli -Fans von Herkunft oder aus Ärger über Werders schwaches Spiel waren.

Die Bremer suchten Entschuldigungen. „Verrammelt, verriegelt, verschlossen“, schimpfte Burgsmüller über den Hamburger Kasten. Dabei flatterten St. Paulis Nerven, weil der etatmäßige Keeper und Freund der Hafenstraße, Volker Ippig, mit eingeklemmtem Nerv auf der Ersatzbank saß; Klaus Thomforde mußte statt dessen die Barrikaden bauen. Nichts und niemand konnte die Sperren durchbrechen. Und wenn gar nichts mehr anderes half, wie in der 55. Minute bei einem Schuß von Riedle, dann bildeten die Hamburger eine Menschenkette auf der Torlinie.

„Das ist doch eine echte Mannschaft“, schwärmte St. Paulis Trainer, „einer kämpft für den anderen“. Seit den Erfolgen der Olympia-Elf sind „echte Mannschaften“ wieder höchst populär. So wie die Bremer in den Jahren ihrer Fehlgriffe nach dem Meistertitel ja auch als „echte Mannschaft“ galten. Solche Teams müssen nicht unbedingt technisch schönen Fußball spielen können. Sie müssen auch nicht unbedingt Tore erzielen. Sie müssen nur den Stallgeruch der Underdogs haben, der sich mit fletschenden Zähnen gegen die Übermacht wehrt. Wenn Ottens auf Borowka trifft, dann spielt der VfL Herzlage gegen die Nationalelf.

Solche Mannschaften leben von der Schwäche des Gegners. Und Werders Schwächen waren nicht zu übersehen: ein Mittelfeldspiel ohne Überraschungen, Flanken hinters Tor oder auf den falschen Fuß, kein Dribbling gelang. Was die Fans St. Pauli nachsehen, nehmen sie einem Deutschen Meister übel. So übel, daß die Fan-Kurve am Spielende nicht einmal halb voll war. So übel, daß zum Europapokalspiel gegen Dynamo Berlin fast mehr Freikarten verschenkt als verkauft werden.

Dieter Mü

BREMEN: Reck - Kutzop (72.Hanses) - Breatseth, Borowka Schaaf, Otten (46.Wolter), Hermann, Votava - Burgsmüller, Riedle, Ordenewitz

ST. PAULI: Thomforde - Gronau - Duve, Olck, Trulsen - Flad, Golke, Zander, Bargfrede - Ottens (81.Osaki), Steubing

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