Eklat um antisandinistische Falschmeldungen

Rechtsblatt 'La Prensa‘ biegt Kriminalfälle zu politischen Attentaten gegen Oppositionelle zurecht / Managua droht mit strafrechtlicher Verfolgung / Falschmeldungen über Menschenrechtsverletzungen könnten die Bewilligung von Waffenhilfe im US-Kongreß fördern  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Die Auseinandersetzung um die oppositionelle Rechtspresse in Nicaragua spitzt sich zu. Vizepräsident Sergio Ramirez ließ am Freitag wissen, daß gezielte Falschmeldungen strafrechtlich verfolgt würden. Die Rechtspostille 'La Prensa‘ - im Laufe der Zeit zum unverhüllten Sprachrohr der Reagan-Administration gemacht - bewegt sie sich aber mit ihrer Berichterstattung zunehmend an den Grenzen dessen, was ein Staat im Kriegszustand zu tolerieren bereit ist. So werden Eifersuchtsmorde an Oppositionspolitikern subtil zu politischen Attentaten hochstilisiert.

Zum jüngsten Eklat kam es, als das Blatt mit Aufmacher auf die Straße kam: „Drei der CUS mit AKA ermordet“. Die CUS ist ein oppositioneller Gewerkschaftsverband, der von den USA gesponsert wird, AK-47 ist die technische Bezeichnung für eine Kalaschnikow - die Standardwaffe der sandinistischen Armee. Unter Berufung auf CUS-Generalsekretär Alvin Guthrie berichtete die Zeitung, die drei Gewerkschafter wären schon längere Zeit von Soldaten überwacht worden, bevor man sie erbarmungslos niedergeschossen habe.

Wie der Polizeichef der Region am nächsten Tag richtigstellte, habe es sich bei den Toten um einen Leutnant der Armee und einen zivilen Heeresangestellten gehandelt, die abends in einer Bar niedergeschossen wurden. Der dritte Tote war der Neffe der Wirtin, die den unbekannten Tätern ihre gesamte Barschaft aushändigen mußte. Die Hinterbliebenen gaben später zu Protokoll, daß bald nach dem Überfall Alvin Guthrie aufgetaucht sei, und beteuert hätte, die Ermordeten seien ohne Wissen ihrer Angehörigen seiner Gewerkschaft beigetreten. Gleichzeitig bot er Geld für die Bestattungskosten an, was die Familien entrüstet zurückwiesen.

Was die reißerische Falschmeldung für Nicaraguas Regierung zum Hochverrat macht, ist der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. Der US-Kongreß hatte gerade 75,6 Mio. Dollar für die Contra und die Opposition bewilligt. Die Freigabe von 41,5 Mio. Waffenhilfe ist aber mit der Klausel verknüpft, daß Reagan nachweisen muß, daß die Sandinisten entweder die noch immer aufrechte Waffenruhe mit den Contras verletzen oder weiterhin sowjetische Waffen beziehen und das Friedensabkommen von Esquipulas brechen. Jeder Bericht über Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua kann also als Auslöser für die todbringende Gabe an die Konterrevolutionäre wirken. Schließlich glaubt man 'La Prensa‘ im US-Kongreß noch immer.

Zähneknirschend veröffentlichte 'La Prensa‘ ein Kommunique des Innenministeriums, das alle Kriminalfälle der jüngsten Zeit, die in den rechten Medien als Politattentate verkauft werden, vom offiziellen Standpunkt erklärt. Gleichzeitig wiederholte die Redaktion jedoch auf der Kommentarseite ihre Zweifel an dieser Darstellung. Die Mediendirektion des Inneministeriums antwortete mit einer Verwarnung. Guthrie, der nicht nur 'La Prensa‘ alarmiert, sondern auch eilige Telegramme an die internatinalen Gewerkschaftsdachverbände abgeschickt hatte, muß mit einem Strafverfahren rechnen.