: Grabschelte einführen
(...) Von jeher hielt, halte ich den in diesen Tagen so oft zitierten Lateiner-Spruch von den Toten, über die man nichts Schlechtes sagen soll, für eine Fehlkonzeption mit verhängnisvollen Folgen. Bereits in den Tagen des Dritten Reichs legte ich in Schulaufsätzen dar, wenig zur Freude des Deutschlehrers, eines stadtbekannten HJ- beziehungsweise Jungvolkführers, daß wir bestensfalls auf vernünftigen Einsichten beruhende Verhaltensregeln brauchen, nicht aber Vorbilder.
Die These, speziell von den Toten, über die man nichts Schlechtes sagen soll, konterte ich seinerzeit mit der Frage: Was gehen mich die Toten an? - Laß die Toten die Toten begraben. Ich begründete: Es ist nicht denkbar, daß einer nach oben kommt, besonders im Bereich des Politischen, ohne sämtliche für allgemein verbindlich erklärten Verhaltensregeln 100mal und 1.000mal zu mißachten und zu mißbrauchen. Am besten sei es, wenn es über Tote nichts zu sagen gäbe, man über Tote nichts zu sagen brauche. Es gäbe keine Toten, die am Grab und gar über das Grab hinaus als Vorbilder dienen könnten. Bei herausragenden Toten sollte man die Beschimpfung am Grab, die Grabschelte einführen. Es wäre nützlich, ihre Fehler aufzuzeigen, aufzuzeigen worin man ihnen nicht folgen sollte. (...)
Eugen Unterweger, Heimsheim
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