Das Parlament lahmt

Mord ist gesund; auch für Politiker, Päpste und andere Würdenträger  ■  PRESS-SCHLAG

Sport ist gesund“ (Lebensweisheit). „Sport ist Mord“ (Churchill). Ja, was denn nun? Falls beides stimmt, wäre Mord gesund. Auch Selbstmord, ob absichtlich oder unabsichtlich. Statt dies jedoch zu akzeptieren, empören sich manche Menschen über sporttreibende Politiker. Zu risikoreich! Wenn da was passiert! Vorsicht: lebensmüde Parlamentarier, Premierminister, Prinzen und Präsidenten!

Eines der eindringlichsten Beispiele ist der britische Thronfolger Prinz Charles. Der springt mit dem Fallschirm, windsurft durch die rauhe britische See, balanciert auf dünnen Stahltrossen über das schottische Hochland und jagt per Gaul über Poloplatz und Hindernisbahnen. Diverse Male schon lädierte er sich die königlichen Gebeine. Und Charles fährt obendrein waghalsig Ski, und lockte im März Freund Major Hugh Lindsay in eine Lawine.

Auch in Neuseeland sieht die Öffentlichkeit mit Sorge, wie sich Premierminister David Lange regelmäßig in seinen Rennwagen setzt und tollkühn über die Rennpisten braust. „Ich kenne niemanden, der jemals in einem Ford Laser auf der Rennpiste getötet wurde, aber wie viele Leute sind schon im Schlaf gestorben?“ fragt Lange kühl und gibt wieder Gas.

Recht so, auch Politiker haben ein Recht auf Fitneß - und auf Nervenkitzel, Risiko, Verletzungsgefahr und mehr! Karol Woytila, der Chefpolitiker des Vatikan, sauste lange Zeit mit irdischer Freude die Karpatenhänge hinunter und scherte sich einen Teufel um die Nähe des Leibhaftigen tief unten im Tal. Jimmy Carter joggte sich fast zu Tode, und der dicke König von Tonga rudert, radelt, schwimmt zur Freude seiner Untertanen.

Und unsere Politiker? Sie hinken hinterher. Was tut Helmut Kohl: passives, unsportliches Aussitzen, höchstens Bötchenfahren sommers auf dem Wolfgangsee. Außer Bizepskrämpfen ist da nichts zu erwarten. Carstens versuchte sich einst als notorischer Geher - langweilig und denkbar ungefährlich. Nur Franz Josef Strauß flog und flog, und niemand machte sich ernsthaft Sorgen, daß er bruchlande. Vorbei, vorbei die Höhenflüge.

Früher tanzte der Kongreß. Heute lahmt das Parlament. Warum nicht Bangemann auf den Schwebebalken? Da folgt die Quittung für der FDP Wankelmütigkeit. Oder Genscher aufs Hochseil. Der kriminöse FDP-Graf sollte nicht nur vorsitzen, sondern sich mit einem sportlichen Fitneßprogramm resozialisieren lassen. Wörner und Scholz in den Fliegedrachen und das passionierte Bergsteigerl Gauweiler kraxelnd für immer in die Aids-freie Quarantäne des Himalaya. Aber nichts dergleichen - sie alle werden nur immer feister in ihrer leibesfeindlichen Ängstlichkeit. Vorbildlich nur Klaus Töpfer, als er sich, allerdings vergeblich, als Schwimmer im Rhein zu vergiften trachtete.

Statt dessen posieren die BRD-Politinskis als Schein -Olympioniken mit allerlei dummen Sprüchen (so wäre Lothar Späth gerne in Seoul mit Steffi Graf im Mixed angetreten), und sie drängeln sich aktiv in die Passivität von Ämtern. Hans Apel wurde jetzt Vizepräsident beim FC St.Pauli, und die begründeten Gerüchte um Jürgen Möllemanns Kandidatur fürs Präsidentenamt bei Schalke 04 sind bislang noch nicht dementiert worden.

Die Briten übrigens, sie vergruben die Asche des Charles -Opfers Major Lindsay auf einem Cricketplatz. Das hat Stil. Und die 'Sunday Times‘ beantwortete die Frage „Soll die königliche Familie in Watte gepackt werden?“ nach langem Pro und Kontra mit einem klaren Nein. Mut zum Risiko also! Und bei einigen seiner Kollegen wünschen sich manche, daß Winston Churchill hier und da mal wieder Recht bekommen möge.

Bernd Müllender