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Kommunistische Familie Spaniens feiert

Am vergangenen Wochenende war Fest der PCE in Madrid / Kommunisten buhlen um Alternative / Über eine halbe Million Madrilenen waren gekommen / KP-Chef Anguita ruft zu kommunistischem Selbstbewußtsein auf / Sozialistische Länder waren repräsentiert  ■  Aus Madrid Antje Vogel

Ob es denn überhaupt einen Anlaß zum Feiern gebe, fragte ein Journalist maliziös den Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), Julio Anguita, als am vergangenen Freitag das alljährliche Fest der Partei begann. Der „rote Kalif“, wie der Generalsekretär wegen seiner Herkunft aus dem andalusischen Cordoba genannt wird, verwies jedoch unverzüglich darauf, daß die PCE - wie ihre europäischen Schwesternparteien schon lange in der Krise - seit geraumer Zeit an Mitgliedern gewinne und auch politisch wieder ernst genommen werde. Über eine halbe Million zählte die „kommunistische Familie“, die sich am vergangenen Wochenende mit Kind und Kegel, Proviant im Plastikbeutel und Strickweste über dem Arm durch das Madrider Festgelände wälzte. Spaniens Regionen waren durch Zelte und Stände vertreten, an denen sich die Darbenden Blutwürste und Schinken einverleiben und nebenbei Solidaritätsunterschriften für Naturschutzparks und gegen Bombenabwurfgelände leisten konnten. Ein Raum war den sozialen Bewegungen überlassen worden, ein Zeichen für das Interesse der PCE, im Bereich der Alternativen zu grasen. Dort agitierten Kriegsdienstgegner und Gefangenenhilfsorganisationen die Passanten, Schwule forderten zum Gespräch auf, und ganz hinten in der Ecke tranken Mitglieder der Vereinigung der Cannabisverbraucher friedlich Tee.

Die meisten Besucher hielten sich freilich lieber an Bier und Wein und unter einer warmen Herbstsonne gewann das gesellige Beisammensein rasch an Heiterkeit.

Was bei den Nachbarn Fest „dell'unita“ oder der „humanite“ heißt, wird hier schlicht Fest der PCE genannt, da die Partei aufgrund mangelnden Kapitals keine Tageszeitung besitzt. In den internationalen Pavillons war die 'Tribyna Ludu‘ ebenso vertreten wie das 'Neue Deutschland‘, und brüderliche Solidarität machte einen - ziemlich leeren rumänischen Stand mit Fotos von realsozialistischen Zivilkasernen und einem großen Porträt des Conducators neben dem Sitz des großen Bruders mit der Perestroika möglich. Wozu sich streiten.

Samstag nacht schließlich sprach sich Julio Anguita aus mit über einer Stunde Redezeit in bester kommunistischer Tradition. Er geißelte mit vielen Zahlen und wenig Charme die Politik der regierenden Sozialisten und forderte die beiden kommunistischen Splitterparteien PCPE und PTE auf, sich der Mutterpartei PCE anzuschließen. Von innerparteilicher Perestroika sprach er nur in harmloser Allgemeinheit und rief ansonsten zu kommunistischem Selbstbewußtsein auf.

Um Mitternacht, als der „rote Kalif“ längst einer Musikgruppe Platz gemacht hatte, standen noch immer Hunderte vergnügungssüchtiger Madrilenen am Eingang Schlange. „Die jungen Leute wollen sich eben nur amüsieren“, stellte ein Ordner betrübt fest. Aber vielleicht kommen ja wieder schlechtere Zeiten. Dann werden sie schon sehen.

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