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Die Nordsee-Insel Sylt geht baden

Meterhohe Wellen rissen breite Dünenstreifen der Südspitze Sylts ins Meer / Naturschutzgebiet Hörnum-Odde wird Opfer des „Blanken Hans“ / Sicherungsmaßnahmen durch Dämme bislang umstritten  ■  Aus Hörnum Jürgen Oetting

Nach den ersten Herbststürmen dieses Jahres wurden auf der nordfriesischen Insel Sylt dramatische Landverluste registriert. Von den Sturmschäden ist besonders die Südspitze Sylts bei Hörnum betroffen. Bis zu vier Meter hohe Wellen rissen in den vergangenen Tagen bis zu 20 Meter breite Dünenstreifen auf Nimmerwiedersehen ins Meer. Dabei gingen insgesamt mehr als zwanzig Hektar Dünensubstanz verloren.

Das Naturschutzgebiet Hörnum-Odde - eine Dünenlandschaft, die die Südspitze der Insel bildet, - dürfte kaum zu retten sein. Nach der bisherigen Jahresbilanz wurden bereits knappe 100 Meter der Hörnum-Odde ins Meer zurückgedrängt. Dabei gingen etwa 50 Hektar Küstenfläche verloren. Das entspricht einer Landfläche, wie sie ein mittlerer schleswig -holsteinischer Bauer bewirtschaftet. Sylter Küstenschutzexperten prophezeien, daß der gesamte Südteil der Hörnum-Odde bis zum nächsten Frühjahr verschwunden sein wird. Das Naturschutzgebiet Hörnum-Odde wurde in Jahrhunderten durch Meeresanschwemmungen aufgebaut. Seit mehreren Jahren geschieht jedoch das Gegenteil. Die Wassermassen bedrohen jetzt die Südspitze Sylts nicht nur vom Westen, sondern auch aus südlicher und östlicher Richtung. Wenn die Hörnum-Odde erst einmal verschwunden ist, liegt das Familienbad Hörnum ungeschützt da. Vermutlich nicht lange.

Aber nicht nur Hörnum ist in Gefahr. Sollte die Südspitze Sylts weiter abbrechen, kann die Insel ihre Schutzfunktion nicht mehr erfüllen. Folglich wären Föhr und Amrum die nächsten Leckerbissen auf dem Speiseplan des „Blanken Hans“. Doch möglicherweise kann den Landverlusten durch schnelle Küstenschutzmaßnahmen noch Einhalt geboten werden. Seit Jahren werden in Schleswig-Holstein Pläne diskutiert, nach denen Sicherungsdämme zwischen den nordfriesischen Inseln errichtet werden sollen. Diese Dämme sollen den Wassermassen ihre zerstörerische Kraft nehmen. Aber die Auswirkungen solcher Küstenschutzmaßnahmen sind bislang umstritten, der Eingriff in das ökologische Gleichgewicht des Wattenmeers könnte nicht absehbare Folgen haben. Wie auch immer, für die Hörnum-Odde kommt wohl jede Schutzmaßnahme zu spät.

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