piwik no script img

Aussagen unter Folter erpreßt

Bremer Solidaritätsdelegation aus der Türkei zurück / Gefangener Oguz Lüle soll den in Ankara inhaftierten Bremer Buchhändler Ahmet Güler unter Folter belastet haben / Türkische Justiz war nicht zu sprechen  ■  Aus Bremen M. Weisfeld

Mustafa und Seher Güler, die Eltern des in Ankara inhaftierten Buchhändlers Ahmet Güler, haben jetzt berichtet, ihr Sohn sei von einem gefolterten „Zeugen“ belastet worden.

Die beiden sind am Wochenende mit ihrem Auto nach Bremen zurückgekehrt. Zwei Wochen lang waren sie im berüchtigten D.A.L.-Folterzentrum der politischen Polizei von Ankara festgehalten worden. Ohne Decken oder warme Bekleidung in einer nackten Betonzelle, deren Lüftungsklappe ständig geschlossen war. Verhört wurden sie nur am Anfang ihrer Haftzeit. Aber sie mußten die Schreie ihres Sohnes Ahmet mit anhören, der in der Nachbarzelle schwer gefoltert wurde. Ihm wird vorgeworfen, im August bei der Flucht von 18 zum Tode verurteilten politischen Gefangenen aus dem Gefängnis von Kirshehir geholfen zu haben (siehe taz vom 7.10.).

Gleichzeitig mit den Eltern ist auch die Bremer Delegation zurückgekehrt, die sich in der Türkei für die Freilassung der Gefangenen eingesetzt hat und gestern in Bremen vor der Presse berichtete.

Ahmet Güler und seine Eltern waren schon am 20.September bei einer Straßenkontrolle festgenommen worden. Etwa zur gleichen Zeit wurde der Lehrer Oguz Lüle aus München festgenommen. Wie die Delegation von den Anwälten der Festgenommenen erfuhr, soll Oguz Lüle seinen Mitgefangenen Ahmet Güler unter schwerer Folter belastet haben. Auch Ahmet sei gezwungen worden, ein Protokoll zu unterschreiben.

Was in den „Geständnissen“ der beiden steht, konnten die Anwälte nicht sagen, Akteneinsicht wurde ihnen noch nicht gewährt. Auskünfte von der Justiz selbst konnte die Bremer Delegation nicht bekommen: Richter und Staatsanwälte des „Staatssicherheitsgerichts“ waren für sie nicht zu sprechen, im Gegensatz zu hohen Polizeibeamten, die jedoch lediglich die Festnahmen bestätigten.

Oguz Lüle sei in der Hafenstadt Mersin gefoltert worden, berichtete sein Anwalt den Bremern. Dort wurden Gefangene konzentriert, die im Zusammenhang mit dem Gefängnisausbruch von Kirshehir festgenommen worden sind. Die Frauen von Gefangenen sollen ebenfalls festgenommen und gezwungen worden sein, die Folter an ihren Männern mit anzusehen.

Noch ein weiterer „deutscher“ Türke wird seit drei Wochen in der Türkei vermißt: Nazim Ates aus Stuttgart. Nachforschungen seines Vaters bei der türkischen Polizei blieben bisher ohne Ergebnis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen