Offene Türen einrennen

■ Vera Menzen, echte Clownesse mit echten Rotbäckchen und großgrinsendem Rotmund, bot am Montag in „Belladonna“ „Rigoletto“ als eine One-Woman-Show

Rigoletto ist Hofnarr. Antonja ist Clownesse. Mit echtem Jürgen-von-Manger-Slang und italienischem „Bel Canto“ bot sie am Montagabend Verdis Opernstoff als One-Woman-Show mit Publikumsbeteiligung. Die Bühne war der Platz, wo keine Stühle standen, die Kulisse lebte von der Andeutung und einem Vorhang, und außer in den ersten beiden Reihen konnte man schlecht sehen - aber die Atmosphäre war traulich, die kleine Zuschauerschar willig.

Die Clownesse (mit clowns-obligatorischen Rotbäckchen und großgrinsendem Rotmund) erklärt ihrem unkundigen Publikum erstmal, was es zu erwarten hat: „Rigoletto“ handele von einer bösen Intrige um Macht und Leiden

schaft, „die Frauen sollen schön sein, werden gebraucht und haben nix zu sagen“. Antonja (alias Vera Menzen) agiert als Intendantin und Kommentatorin. Ihre Darsteller sind auf Stoffbahnen aufgemalt wie Spielkarten. Und weil „Rigoletto“ eine Oper ist und „eine Clownesse ohne Musik wie Scheisse ohne 'ei'“, leiht sie allen auftretenden Figuren ihre Stimme. Selbstverständlich singt sie auch das Orchester und fiedelt die „Uwärtüre“.

Der erste Akt: Der Herzog von Mantua tritt auf. Er ist etwas unproportioniert gemalt, aber angeblich dennoch „schön, reich, eingebildet, jung“ und ein „Elvis Presley, Don Juan“, also hinter allen Frauen her. Rigoletto, der

arme Kerl, ist sein Hofnarr, der mit 50 Witzen pro Tag aufwarten muß. Sein Unglück ist, daß er versucht, einen davon auf Kosten des gefangenen Grafen zu machen, der ihn daraufhin verflucht. Rigoletto kriegt Schiß, er „hat et im Darm“.

Die unseligen Dinge nehmen ihren Gang: Der Frauen-jagende Herzog hat ein Auge auf des Hofnarren Tochter Gilda geworfen, die er entführen läßt, nachdem sie sich auch noch prompt in ihn verliebt hat. Als der Vater die Tochter wiedergefunden hat, beschließt er, den Herzog ermorden zu lassen. Aus lauter unglücklicher Liebe läßt sich jedoch Gilda an seiner Stelle erstechen, was Rigoletto vor Gram natürlich eben

falls in den Tod treibt.

An dieser Stelle müßte eigentlch der Vorhang fallen, aber Antonja hat etwas gegen diesen „Wiener Hofoper„-Schluß. Sie meint, es passe nicht zusammen, daß „der Hugo Victor oder Victor Hugo“ mit diesem Stück feudale Herrschaftsverhältnisse anprangern wollte und der Feudalherrscher, der schweinische Herzog nämlich, am Schluß den ganzen Applaus bekäme („weil er so schön gesungen hat“). Bei ihr darf sich daher zum Schluß die tote Gilda nochmals mit Gebrüll zu Wort melden und per Transparent den Tenor des Stoffes „macht macht alles möglich“ neben dem Ausrufungszeichen noch mit einem Fragezeichen versehen („gez. eine Tote im Sack“). Ob diese Abänderung für die Aussage der Oper allerdings wirklich einen Unterschied macht, ist zweifelhaft. Ihrer Absicht, das Klischeehafte der einzelnen Figuren vorzuführen, geht Antonja zwar auf liebenswerte Weise nach, aber die Türen zum Einrennen stehen längst offen.

Am besten, auch am witzigsten war die Clownesse immer dann, wenn sie spontane Einlagen machte. Insgesamt jedoch war die im Programm angekündigte Entlarvung der Männerherrschaft eher eine Folge von Vergackeierungen, manchmal mehr und öfters auch weniger gelungen.

S.H.