: Verleger vertagten Freiheit
■ Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger tagte in Bremen / Staatssekretär Spranger: „Innere Pressefreiheit in den Papierkorb“ / Lacherfolge durch Manfred Rommel
Am Montag hatten die versammelten Verleger aus dem Bremer Plazahotel heraus ihre eigenen Journalisten gescholten: Der verschärfte Wettbewerb dürfe nicht dazu führen, daß Ereignisse wie die Geiselnahme von Gladbeck und Bremen „in unverantwortlicher Weise zu Medienspektakeln“ aufgebaut würden. (s. taz von gestern) Postwendend erhob sich gegen den Kongreß des „Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger“ ein dünnes, aber deutliches Stimmchen: Der Ortsverein Bremen der „Deutschen Journalistenunion“ nannte die Verleger -Resolution „zynisch und heuchlerisch“. Die Journalisten und ihre Organisationen hätten sich bereits kritisch und selbstkritisch mit ihrer Rolle in den Geiseldramen auseinandergesetzt. Die Konkurrenz zwischen ihnen werde in der Regel
nicht zum Privatvergnügen der JournalistInnen, sondern auf Wunsch und im Auftrag der Zeitungsverleger ausgetragen. Der Kongreß nahm von dieser Protesterklärung keine spürbare Notiz.
Einer seiner letzten Redner aber ließ die Verleger gestern nachmittag wissen, wie sie im allgemeinen mit solchen Stellungnahmen umzugehen hätten: „In den Papierkorb“ gehöre die „innere Pressefreiheit“. Das sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Carl-Dieter Spranger. Mit der „inneren Pressefreiheit“ ist der Wille der JournalistInnen gemeint, sich die Tendenz ihrer Arbeit nicht von den Verlegern vorschreiben zu lassen. Für Spranger, einen engen Mitarbeiter des Innenministers Friedrich Zimmermann (CSU), sind das „gruppenegoistische Re
gelungen“, die die Freiheit der Presse beeinträchtigen und sie funktionsuntüchtig machen“.
Spranger war sicher der politisch klarste Redner des Kongresses. Mit leichtem bayrischen Akzent trug er die medienpolitischen Leitsätze der Bundesregierung vor. Die Konzentration der Presse, das Sterben von immer mehr Zeitungen, war für ihn nur am Rande ein Problem. Bedroht sah er die Pressefreiheit viel eher durch „Punktstreiks der Gewerkschaft“, durch „Sitzblockaden mit unwürdigen Erscheinungen“, die es zuletzt während des Tarifkampfes im Jahr 1984 gegeben habe. Der „Tendenzschutz“, der das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte in den Zeitungsverlagen wesentlich einschränkt, müsse erhalten bleiben.
In den letzten Jahren habe sich die Regierung darauf konzen
triert, die privaten Fernseh- und Radioanbieter durchzusetzen, bestätigte Spranger Bekanntes. Dadurch sind den Zeitungsverlegern große Verluste an Werbeeinnahmen entstanden. Um die auszugleichen, sollten sich die Verleger stärker an den Privatsendern beteiligen, forderte Spranger. Die das schon getan haben, lobte er ausdrücklich. Sie hätten jahrelange wirtschaftliche Verluste in Kauf genommen, um den privaten Rundfunk auf den Weg zu bringen.
Die über 400 Verleger und leitende Angestellte der Verlage mögen ihm ja in vielen Punkten zugestimmt haben. Dennoch sanken manchem von ihnen im blauen Saal des Plaza-Hotels die Lider bleischwer herunter. Gegen die Müdigkeit des frühen Nachmittags konnte auch der schneidige Bayer schwer andozieren. Leben kam erst wieder in den Saal, als Manfred Rommel, der charmante Stuttgarter Oberbürgermeister, die Verleger eine Weile zum Lachen gereizt hatte. Der Sohn des Generals und „Wüstenfuchses“ Rommel ist fürwahr auch ein Fuchs, nur einer des schwäbischen Humors. Zeitungen und deren Verlage schienen ihn dabei nur ganz am Rande zu interessieren. Er plauderte über politische Kultur, über den Umgang in der Demokratie und über kommunale Verwaltung. Die sei ihm am liebsten, wenn sie im Stillen arbeite, ohne auf publizistische Erfolge zu achten, „wie ein Eisberg: Nur das wenigste sieht man, das allermeiste nicht“.
mw
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