: Bürger und Sozialdemokraten gegen Puff
■ Der Helenenstraße soll der Garaus gemacht werden, um die Straßenprostitution zu bekämpfen / Sozialressort setzt auf Betreung der Drogensüchtigen und vermindert gleichzeitg das Angebot
Seit 95 Jahren bieten Huren in der Helenstraße ihre Dienst an. Ebenso lange forden Anwohner oder auch Politiker immer mal wieder, daß der Puff geschlossen werden soll, damit wieder Sauberkeit und Ordnung im Viertel einkehre. Letzte Woche erneuerte nun der Ortsverein Steintor der SPD einen alten Beschluß, in dem eben dies erneut gefordert wird. Begründet wird diese neue Alt-Forderung mit einer anderen Form von Prostitution, die mit der Helenenstraße direkt nichts zu tun hat: Mit dem Straßenstrich.
Seit der Ziegenmarkt umgestaltet worden ist, scheint er seine Attraktivität für drogenabhängige Prostituierte verloren zu haben. In letzter Zeit stehen die Frauen vermehrt in der Humboldtstraße und auch in den kleinen Wohnstraßen umzu. Einen festen Kern von 25 Frauen, hat Gisela Horwey, Vorsitzende des Sozialausschusse im Beirat Östliche Vorstadt, ausgemacht. Hinzu kämen 100 weitere, die dort unregelmäßig auf Freier warteten. „Es ist unerträglich. In den Vorgärten liegt morgens Scheiße herum, dazu Kondome und Spritzen“, beschreibt Horwey bisweilen sichtbare Folgen der Drogenprostituion. Außer der Schließung der Helenstraße möchte Horwey erreichen, daß die Sperrbezirksverordnung geändert wird. An einer anderen Stelle Bremens solle die Straßen
prostitution legalisiert werden. Und wenn dann immer noch Frauen verdächtig durchs Steintor flanieren, solle die Polizei sie schon mal in einen Bus setzen und zum legalen „Verkehrsort“ karren.
Auch der Besitzer der Hirsch-Apotheke, Eberhard Lins, fühlt sich belästigt. „Wenn ich aus dem Geschäft komme, fragen mich die Mädchen, ob ich eine Frau brauche.“ Der „Belästigungen“ überdrüssig, gründete Lins mit anderen die Interessengemeinschaft „Nachbarschaft Humboldtquartier.“ Die Forderungen, die auch dem Beirat vorgetragen wurden, lassen sich so zusammenfassen: Die Polizeipräsenz soll verstärkt werden, damit das Viertel wieder sauber wird.
Auch an anderer Stelle häufen sich die Klagen über die Folgen der Bremer Drogenpolitik. Im Bürgerhaus Weserterassen, einem Anlaufpunkt für Mutter-Kind Gruppen, erzählen aufgebrachte Mütter immer öfter von Spritzbestecken, die sie auf dem Spielplatz gefunden hätten. Das Bürgerhaus will jetzt von sich aus in die Initiative gehen, um mit allen Betroffenen Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren.
„Die Klagen sind mehr geworden,“ hat auch Ortsamtsleiter Hucky Heck festgestellt. Die momentane Situation sei nicht mehr tolerierbar. Das wisse auch Sozialsenator Henning Scherf, aber
:„Von ihm kommen nur Versprechungen, es folgt jedochnichts.“ Hecks Minimalforderung: Die Drogenberatungsstelle (DROBS) in der Bauernstraße solle jeden Tag 24 Stunden geöffnet sein, Sozialarbeiter sollen Prostituierte und Drogenabhängige verstärkt auf der Straße aufsuchen.
„Wir haben kein Interesse die Drogenszene aufzusplitten“, erläutert Frank Schmidt aus dem Drogenreferat beim Sozialsena
tor die Leitlinien Bremer Politik. Nur wenn die Szene an einem Ort konzentriert sei, sei soziale Betreuung möglich. Daß sich die Straßenprostitution immer weiter aufsplittert, sei eine Folge der Vertreibungspolitik vergangener Jahre. „Man hat versucht die Drogenabhängigen von ihrem alten Platz zu vertreiben und jetzt kreisen sie durch das gesamte Viertel.“
Das Plädoyer für soziale Be
treuung von Fixern wird allerdings von der Wirklichkeit der Bremer Haushaltspolitik längst ad absurdum geführt. In der Drogenberatungsstelle sind derzeit von acht Stellen drei unbesetzt. Folge: Es wird überlegt, die Öffnungszeiten der Tagesstätte - sowieso schon auf drei Tage beschränkt weiter zu reduzieren. Ausnahmen vom Einstellungsstopp sind nicht in Sicht.
hbk
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