: Behinderte contra Blüm
■ Mit einer Großdemo wollen Behinderte am Samstag gegen die Gesundheits-Reform protestieren
Als einen Angriff auf die Lebensgrundlagen aller Behinderter und chronisch Kranker haben gestern VertreterInnen von 20 Selbsthilfegruppen und Vereinen die Gesundheitsreform der Bundesregierung bezeichnet. Die „Sparmaßnahmen“ beinhalteten eher die Abschaffung des Solidarprinzips, meinen die Betroffenen und kündigten scharfen Protest an. Nach Blüms Reform brauchen unter anderem sogenannte „Bagatellmittel“, wie zum Beispiel Abführmittel, in Zukunft nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden. Für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, darunter fallen auch Rollstühle, sollen Festbeträge eingeführt werden. Fahrtenkosten zum Arzt oder zu Therapien müssen gar von den Betroffenen selbst finanziert werden.
„Wenn jemand eine Darmlähmung hat, braucht er tagtäglich Abführmittel, das ist doch keine Bagatelle“, erklärte Bärbel Reichelt vom Cocas-Verein empört. Und wenn Behinderte zwei bis dreimal in der Woche eine Behandlung brauchen und die Taxikosten selbst tragen müssen, kommen immense Summen zusammen. „Das können sich die Leute einfach nicht leisten. Sie bleiben krank zu Hause, und das erhöht wiederum die Pflegekosten“, folgert Michael Eggert, Behindertensprecher der AL. Doch der Rotstift des Ministers streicht noch weitere Sozialleistungen. Ganze 25 Pflegeeinsätze von je einer Stunde für Schwerstpflegebedürftige pro Monat sind vorgesehen, oder ersatzweise schlappe 400 Mark. „Das treibt den Zynismus auf die Spitze“, meinen die Behindertengruppen, denn für die paar Mark könne nicht mal ein Bruchteil der angemessenen Betreuung bezahlt werden.
„Wer behindert ist, wird arm“, folgern die Betroffenengruppen verärgert und fordern mehr Verständnis und Solidarität für ihre Situation. Denn Ausgrenzung und Diskriminierung wollen die Initiativen und Vereine, unter ihnen die Behinderten-Liga, die Grauen Panther, die Ambulante Krankenpflege und Eltern für Integration, nicht länger gefallen lassen. Mit einer Demonstration am Samstag werden sie gegen Blüms Gesundheitsreform protestieren. Die Aktion startet um 12 Uhr am Bahnhof Zoo.
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