: Technik soll legitimiert werden
■ Berliner Notruf für vergewaltigte Frauen: Genomanalyse hilft nicht weiter
Wir haben uns einfach sehr gewundert, welche Anstrengungen die Polizei auf einmal unternimmt, um Vergewaltigungstäter dingfest zu machen. Bisher hat sie sich doch nicht so engagiert, warum also auf einmal dieser Aufriß? Mich macht das sehr mißtrauisch, und ich frage mich: Wozu kann eine solche Technik denn sonst noch verwendet werden...
Ein Problem, das sich sehr häufig im Zusammenhang mit Vergewaltigungen stellt, ist die Unterstellung der Freiwilligkeit. Motto: Die Frau hat es ja gewollt. Dieses Problem wird von der Einführung einer neuen Technik überhaupt nicht berührt. In 70 Prozent der Fälle ist der Täter ein Bekannter, der oft sogar nicht einmal bestreitet, daß er „sexuellen Kontakt“ hatte mit der Frau. Bei der Identifizierung bestehen dann also gar keine Schwierigkeiten.
Könnt Ihr Euch vorstellen, daß die Genomanalyse Eurer Arbeit weiterhilft?
Nein, wirklich nicht. Für die Praxis bringt das überhaupt nichts. Ich habe eher das Gefühl, daß wieder einmal Frauen vor einen Karren gespannt werden. Das Elend von Frauen soll helfen, Argumente zu schaffen und diese neue Technik zu legitimieren.
an darf ja auch nicht vergessen, daß bereits Methoden existieren, die mit hoher Sicherheit zur Zuordnung von Tatortspuren führen.
Solche Untersuchungen und gute Spurensicherungen sind schon sehr wichtig. Die Erfahrung hat gezeigt, daß eine gute vorgerichtliche Untersuchung der Spuren, des Tatortes, der Umstände der Tat etc. dazu führt, daß die Glaubwürdigkeit der Frau weniger stark angezweifelt wird. Es kann ihr dann nicht mehr vorgeworfen werden, es hätte beispielsweise kein Kampf stattgefunden.
Aber würde nicht gerade das für die Einführung der genetischen Methode sprechen?
Kaum eine neue Technologie, die eingeführt wird, um einen alten Zweck zu verfolgen, erzielt eine höhere Trefferrate als alte Methoden, die von routinierten Leuten betrieben wird. Ein Beispiel ist die Computertomographie: Ein riesiger Aufwand, aber die Zahl richtiger Diagnosen hat sich mit ihrer Einführung nicht erhöht. Polizei und Staatsanwaltschaft sollten also lieber die alten Methoden gut betreiben. In der Praxis ist es sehr viel wichtiger, daß die vorgerichtliche Untersuchung von staatsanwaltschaftlicher Seite engagiert vorangetrieben wird, in diesem Sinne erscheint uns die Einrichtung des Sonderdezernates für Vergewaltigungen ein viel wichtigerer Schritt als diese Methode.
Der Polizei wäre außerdem angeraten, sich um ihre Weiterbildung im Umgang mit den Opfern zu kümmern. Noch immer hören wir von Vorkommnissen, wo Frauen ironisch, süffisant und demütigend behandelt werden, vor allem, wenn sie mit dem Täter bekannt waren, und das ist nun einmal in den meisten Fällen so. Erst kürzlich berichtete eine Frau, sie sei acht Stunden zum Protokoll gebeten worden. Solche Dinge müssen einfach nicht sein!
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