piwik no script img

Zugeständnisse in Montenegro

■ Lage in der jugoslawischen Teilrepublik entspannt / Führung will sich Vertrauensabstimmung des ZK stellen / Wirtschaftlicher Maßnahmenkatalog angekündigt / Studenten bleiben hart

Belgrad (afp) - Nach dem teilweisen Eingehen der Staats- und Parteiführung auf die Forderung der Demonstranten in der Teilrepublik Montenegro hat sich die Lage in Jugoslawien weitgehend beruhigt. Aus Niksic, das in den vergangenen Tagen die Hochburg der Protestbewegung war, wurden am Dienstag keine neuen Kundgebungen gemeldet. Die 7.000 Arbeiter des Stahlwerks von Niksic, die die Proteste angeführt hatten, haben nach Angaben eines örtlichen Rundfunkjournalisten am Morgen ihre Arbeit wiederaufgenommen. Am Vorabend hatte die Partei- und Staatsführung Montenegros eingestanden, daß die Proteste berechtigt seien, und erklärt, sich einer Vertrauensabstimmung im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei unterwerfen zu wollen. Außerdem wurde ein Maßnahmenkatalog zur Besserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage verkündet.

Nach Angaben eines Sprechers des Informationsministeriums seien jedoch noch nicht die Bedinungen gegeben, um die am Sonntag verhängten „Dringlichkeitsmaßnahmen“ aufzuheben. Kritisiert wird die Regierung noch immer vor allem von seiten der Studenten wegen des harten Vorgehens der Polizei. Die Protestbewegung fordert eine Untersuchung der Einsätze von Titograd und Niksic, bei denen 13 Menschen verletzt worden waren. Die Erklärung des montenegrinischen Innenministers, der eine Untersuchung der Vorfälle angekündigt hat, gleichzeitig aber betonte, er glaube nicht an ungesetzliche Aktionen seitens der Polizei, stieß bei den Studenten auf Protest. In den Gymnasien wurde gestern noch immer der Unterricht boykottiert. Auch der Hungerstreik von Studenten ging weiter.

Zur Unterstützung der am Montag in Montenegro verkündeten Maßnahmen hat die Bundesregierung in Belgrad die Bereitstellung von etwa 18,5 Millionen Mark zugesagt. Mit dem Geld sollen die angekündigte Erhöhung der Mindesteinkommen, die Rücknahme der erhöhten Mieten sowie eine geringer als vorgesehen ausfallende Steigerung der Strompreise finanziert werden.

Die Entscheidungen der montenegrinischen Staats- und Parteiführung, den Rücktrittsforderungen der Demonstranten nicht nachzugeben, sowie die Entschlossenheit der Bundesregierung, den sozialen und politischen Protest nicht ausufern zu lassen, sind in Jugoslawien auf breite Zustimmung gestoßen. Lediglich der serbische KP-Führer Slobodan Milosevic verurteilte am Dienstag die jüngste Entwicklung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen