: Rote Khmer füllen Machtvakuum in Kamputschea
US-Präsident Reagan stellt Prinz Sihanouk Aufstockung der US-Hilfe in Aussicht / An der thailändisch-kamputscheanischen Grenze bereiten sich die ehemaligen Truppen Pol Pots mit neuer Strategie auf den Bürgerkrieg vor / Rote Khmer wollen die Macht übernehmen ■ Von Larry Jagan
London (taz) - Die USA sind bereit, an einer internationalen Kamputschea-Konferenz teilzunehmen und unterstützen die Bildung einer Übergangsregierung in Kampuchea. Dies sicherte Ronald Reagan bei einem Treffen am Dienstag in Washington dem kamputscheanischen Oppositionsführer Prinz Norodom Sihanouk zu. Gleichzeitig stellte er die Aufstockung der kürzlich verabschiedeten fünf Millionen US-Dollar für die Sihanouk-Widerstandsfraktion in Aussicht. Reagan betonte bei dieser Gelegenheit erneut die beiden Grundzüge der US -Politik in Kampuchea: Die Vietnamesen müßten sich vollständig aus Kambodscha zurückziehen und die Roten Khmer dürften nicht wieder an die Macht gelangen. Sihanouk beklagte sich indessen über die nach wie vor anhaltenden Menschenrechtsverletzungen der Roten Khmer und deren militärisches Übergewicht.
So berichtet auch ein kürzlich aus dem thailändisch -kamputscheanischen Grenzgebiet zurückgekehrter Kamputschea -Experte, daß die Roten Khmer im Nordwesten Kamputscheas bereits einen militärischen Brückenkopf etabliert hätten. „Die Roten Khmer füllen hier das von den Vietnamesen hinterlassene Vakuum.“ Nachdem China die Roten Khmer im vergangenen Jahr aufgefordert hat, ihr internationales Image aufzupolieren, verfolgen sie offenar eine neue politische und militärische Strategie: Seit dem ersten Treffen zwischen Kamputscheas Ministerpräsidenten Hun Sen und Prinz Sihanouk im Dezember letzten Jahres in Frankreich, so enthüllen jetzt bekanntgewordene interne Dokumente der Roten Khmer, haben sich die verschiedenen Kader der Roten Khmer zu Strategie -Schulungen getroffen. Aus den Dokumenten geht hervor, daß sich die Roten Khmer auf die Machtübernahme vorbereiten. „Wir werden es keiner anderen Gruppierung mehr erlauben, uns anzuführen“, steht dort geschrieben. Die Roten Khmer haben bereits Waffen und Leute nach Kamputschea eingeschleust. Sie haben sogar schon die Ost-Provinzen des Landes infiltriert und Truppen auf den Inseln stationiert.
Militärische Quellen in Bangkok gehen davon aus, daß bereits 22.000 Guerillas von strategischen Dörfern aus in Kamputschea operieren und nur auf den vietnamesischen Rückzug warten. Die militärischen Einheiten sind angewiesen worden, versteckte Waffenlager anzulegen und besonders für Transportaufträge Leute anzuheuern. Berichte über die Ermordung und Exekution von Regierungsbeamten und Dorfbewohnern, die sich weigern als Träger eingesetzt zu werden, tauchen immer häufiger auf. Sogar Phnom Penhs offizielles Parteiorgan 'Pracheachon‘ mußte zugeben, daß „der Feind oft unbehelligt in Kamputschea ein und ausgeht und dabei die Bevölkerung terrorisiert“. Überläufer der Roten Khmer berichten, daß sie unter dem Befehl standen, offene Auseinandersetzungen mit den Truppen Phnom Penhs zu vermeiden und statt dessen Dorfverwaltungen zu infiltrieren und Sabotage-Operationen durchzuführen. Die internen Dokumente der Roten Khmer sprechen von rund 15.000 versteckten Waffen pro Einheit. Die Kader sollen eine Waffe bei sich tragen, eine in Reichweite verstecken und eine sicher vergraben.
Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums Carl Jackson erklärte vor kurzem, daß die Waffen der Roten Khmer für einen zweijährigen Bürgerkrieg reichten. Und China hat zu erkennen gegeben, daß es weiter bereit ist, für den Nachschub an Waffen zu sorgen.
Die Papiere der Roten Khmer enthüllen auch deren allgemeine politische Strategie. „Gegenwärtig sind die Truppen des Widerstands der Sihanouk-Fraktion und seiner Verbündeten Feind Nr.1 und die Vietnamesen Feind Nr.2“. Der Plan der Roten Khmer sieht vor, auf den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe hinzuwirken, die dann alle Khmer-Parteien entwaffnen soll. Erst nach dem endgültigen Rückzug der Vietnamesen würden die Roten Khmer dann ihre versteckten Waffenlager ausgraben und den Bürgerkrieg von neuem beginnen. Der vor zwei Monaten enthüllte Friedensplan der Roten Khmer ist ganz offensichtlich Teil dieser neuen politischen Strategie. Das wirkliche Ziel der Roten Khmer, die militärische und politische Vorherrschaft in Kamputschea zu erreichen, ist hierin nur unzureichend verhüllt. Mit den Worten von Prinz Sihanouk „bleibt uns das Problem Pol Pot erhalten, ein Problem das uns weiter verfolgen wird: der Geist Pol Pots kehrt wieder zurück“.
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