: Umweltbeauftragte „renovierungsbedürftig“
In Hamburg veranstaltete der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) eine Fachtagung mit 200 betrieblichen Umweltschützern / Streit um das Selbstverständnis: „Behördenspitzel“, „ökologisches Feigenblatt“, „Hilfsorgan des Unternehmers“ oder „betriebliches Umweltgewissen“ ■ Von Gabi Haas
Hamburg (taz) - Nach keinem noch so verheerenden Umweltskandal wurde je ein betrieblicher Umweltschutzbeauftragter gefeuert. Als „Täter“ kommt er nicht in Betracht, dazu fehlen ihm schlicht die Entscheidungsbefugnisse. Ein „Opfer“ ist er allerdings auch nicht - im Konflikt zwischen seinen gesetzlichen Überwachungspflichten und dem gleichzeitigen „Treueverhältnis“ zu seinem Arbeitgeber bleibt dem Umweltschutzbeauftragten bestenfalls der Part des „betrieblichen Umweltgewissens“, in der Regel aber eher die Rolle des ökologischen Feigenblatts. Obwohl die Benennung eines „Betriebsbeauftragten“ schon seit mehr als zehn Jahren durch diverse Umweltgesetze für solche Unternehmen Vorschrift ist, die Wasser, Boden und Luft durch ihre Produktion zu vergiften drohen, fand Anfang dieser Woche auf einer Fachtagung des „Vereins Deutscher Ingenieure“ (VDI) ein erster Versuch statt, diese Institution „geballt an die Öffentlichkeit zu bringen“. Eine Institution, die nach Auffassung amtlicher Umweltüberwacher „dringend renovierungsbedürftig“ ist.
Etwa 200 dieser „ominösen Umweltschutzbeauftragten“ (O-Ton eines der Veranstalter) waren ins Hamburger Congress Centrum gekommen, um über ihre Rechte und Pflichten zu debattieren. Laut Gesetz ist ihnen eine Vielzahl von Aufgaben übertragen, deren Einhaltung von Behördenseite allerdings ebensowenig zu überprüfen wie juristisch einklagbar ist. Der meist nur nebenberufliche Umweltbeauftragte soll neben seiner üblichen betrieblichen Tätigkeit das ordungsgemäße Funktionieren der Anlagen überwachen, Gefahrensituationen an die Firmenleitung melden, umweltfreundliche Neuentwicklungen anschieben und „obligatorischer Dialogpartner“ der Behörden sein.
Doch auch wenn ständige Ermahnungen des betrieblichen Umweltschützers beim Unternehmer auf taube Ohren treffen, muß er Gesetzesverstöße nicht der Behörde melden. Ein Zweifler aus dem Publikum wurde von einem Experten auf dem Podium sogar barsch aufgeklärt: „Auf keinen Fall ist die Flucht nach draußen erlaubt.“ Die überwiegende Mehrheit der versammelten Umweltbeauftragten hatte solche Belehrung aber kaum nötig. Gegen die vorsichtig aufbegehrenden Umwelt- und Genehmigungsbeamten bildeten sie zusammen mit den Juristen und Industriemanagern eine geballte Front: Der Betriebsbeauftragte dürfe nicht zum „Denunzianten“, nicht zum „Spitzel der Behörden“ werden. Er müsse „Hilfsorgan des Unternehmers“ bleiben, „ein Mann des Betriebs“ (ungeachtet der anwesenden weiblichen Kolleginnen).
Zwar solle der von Unternehmen selbst benannte Umweltschützer eigene Messungen vornehmen können, doch die Behörden haben nicht einmal ein Einsichtsrecht. Nur der Firmenchef selbst kann seinen Beauftragten abberufen - nicht ohne ordentliche Kündigung allerdings.
„Die Kontrollfunktion ist das eigentlich Prekäre“, erklärte ein Rechtsprofessor. Die Hauptfunktion des Umweltbeauftragten sei es, „den Betreiber bösgläubig“ zu machen, damit der sich nicht herausnehmen könne, er habe „nichts gewußt“. Doch eine Studie des BP-Konzerns belegt: Nur 54 Prozent der rund 3.500 Betriebsbeauftragten halten ihren Einfluß auf die Unternehmensentscheidung für ausreichend. 67 Prozent von ihnen fordern, der Staat solle die Emissionen der Industrie besser kontrollieren - eine Aufgabe, die bezeichnenderweise den Beauftragten eigentlich selbst obliegt. Doch die Klagen über die fehlende Kooperationsbereitschaft vieler Firmenbosse wurden vom Mannesmann-Konzernbeauftragten Johann hoffnungsfroh gekontert: „Gewöhnlich regeln sich solche überholten Haltungen durch Aussterben.“
Etwas anders sehen die Lösungsmodelle aus, an denen gegenwärtig Bundesumweltminister Töpfer und der Länderausschuß für Immissionsschutz basteln. Sichtlich beunruhigt berichtete der BP-Beauftragte Reppening auf der VDI-Tagung, ihm und seinen Berufskollegen solle zukünftig die Pflicht auferlegt werden, ihre Überwachungstätigkeit zu dokumentieren und den Behörden zugänglich zu machen. „Ich versetze mich mal auf den Sessel des Bundesumweltministers“, so Reppening, dem es wegen der geplanten Verstärkung seines Amts auf seinem eigenen Stühlchen anscheinend ungemütlich wurde: Töpfer ginge eben davon aus, daß die Betriebe nichts zu verbergen hätten und habe dabei offensichtlich nicht bedacht, „daß solche Aufzeichnungen den Betriebsbeauftragten selbst belasten können“.
Aus Sicht des Umweltschutzes ist die geplante Gesetzesnovellierung allerdings aus einem ganz anderen Grund eine zweischneidige Angelegenheit. Wird der betriebliche Umweltschützer nämlich zum verlängerten Arm der staatlichen Überwacher, könnte der Unternehmer diesem Zugriff auf einfache Weise ausweichen: Entweder er schneidet den Umweltbeauftragten von allen wichtigen Firmenentscheidungen ab, dem es dann nicht anders ergehen könnte als den amtlichen Überwachern bereits jetzt. Oder der Umweltschützer aus dem Betrieb könnte selbst die Meßdaten in seinen schriftlichen Aufzeichnungen frisieren. Auch damit wurde in Hamburg unverhohlen gedroht.
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