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Kartonweise Bargeld zum Hintereingang

Wie Banken ins 120-Milliarden-Drogengeschäft der USA verwickelt sind / Größter Geld-Waschsalon ist offenbar Florida  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Diesen Polterabend werden Amjad Awan und Akbar Bilgrami nicht so schnell vergessen. Sicherlich mit Vergnügen waren die beiden Bankangestellten der Einladung der Ehepaare Erickson und Musella gefolgt, die bevorstehende Vermählung ihrer Sprösslinge zu feiern. Doch als die beiden Banker am Samstagabend in Erwartung von Kaviar und Champagner an der angegebenen Adresse, einem privaten Club im siebten Stock eines Gebäudes in Tampa im US-Bundesstaat Florida ankamen, warteten stattdessen Zollbeamte mit Handschellen auf sie. Die Einladung, gedruckt auf feinstem Papier, stammte aus der Druckerei der Staatsanwaltschaft, das Brautpaar war eine Kreation der Ermittlungsbehörden.

Awan und Bilgrami sind leitende Angestellte der siebtgrößten Privatbank der Welt, der in Luxemburg ansässigen „Bank of Credit and Commerce International“ (BCCI), einem multinationalen Geldinstitut mit 20 Milliarden Dollar Eigenkapital und Zweigstellen in 73 Ländern. 15 Filialen befinden sich in den Vereinigten Staaten, und von den USA aus zogen Awan und Bilgrami, so beschuldigt sie der amerikanische Zoll in der Anklageschrift, ihre Fäden in einer großangelegten Geldwasch-Operation für 32 Millionen Dollar Drogenprofite. Awan war erst vor einer Woche vom Drogen-Unterausschuß des Senats hinter verschlossenen Türen nach seinen Geschäftsverbindungen befragt worden. Aus Dokumenten, die der Ausschußvorsitzende John Kerry am Mittwoch freigab, geht hervor, daß Awan der Privatbankier des panamesischen Militärbosses Manuel Noriega war und die Kosten für viele Reisen des Diktators durch die ganze Welt von den Konten der BCCI abgebucht wurden. Die Ermittler hoffen, daß sie nun auch den Drogengeschäften Noriegas besser auf die Spur kommen können.

Seit zwei Jahren hatten Beamte des Zolls, der Steuerfahndung und der US-Drogenbehörde DEA die Geschäfte der BCCI mit prominenten internationalen Drogenschmugglern unterwandert. Sie posierten als angebliche Restaurantbesitzer, Hoteleigentümer oder Besitzer anderer Betriebe, die regelmäßig große Mengen Bargelds einnehmen und deswegen zu beliebten Werkzeugen der Drogenschmuggler werden, um Einnahmen aus dem Straßenverkauf von Drogen in legitim verdientes Geld zu verwandeln. Die Beamten der Unterwanderungsoperation nahmen die Dollarnoten entgegen und deponierten sie auf Konten der BCCI. Von dort aus wanderte das Geld über komplizierte Transaktionen auf ausländische Konten.

Im Dezember vergangenen Jahres schlugen Angestellte der Bank den Undercover-Zöllnern dann einen effektiveren Weg vor, die Gelder über Konten in Europa und auf den Bahamas zu „waschen“ - ein erstaunliches Verhalten für eine Bank, die auf die am Dienstag eröffnete Anklage mit der Äußerung reagierte, nie wissentlich an Geldwäschereien beteiligt gewesen zu sein. William van Raab, der Chef der Zollbehörde von Florida, sagte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, die Bank hätte sich den Geldwäschern „wie eine Hure angedient“.

Van Raab versucht seit fast zehn Jahren, die mit der Drogenbekämpfung zuständigen Stellen in den USA davon zu überzeugen, daß man nicht den Schmugglern und Dealern, sondern denjenigen hinterher ermitteln solle, die die Millionen und Abermillionen von Drogenprofiten außer Landes zu schaffen versuchen. Die Dimensionen dieser Transaktionen sind atemberaubend: für 120 Milliarden Dollar pro Jahr werden zwischen Boston und San Francisco Marihuana und Kokain, Heroin und Crack verdealt, vier Fünftel davon kommen über Florida ins Land. Der gesamte legale Warenaustausch zwischen den USA und Lateinamerika macht dagegen nur 20 Milliarden aus.

In einem Senatshearing vor einigen Jahren beschrieb von Raab das größte Problem der Drogenhändler: „Die Straßendeals werden meist in kleinen Scheinen abgewickelt, es werden immer mehr davon, je weiter die Einnahmen die Leiter zum Großhändler hinaufklettern.“ Am Ende habe man es mit einem beträchtlichen Volumen zu tun - eine Million Dollar in Zehn -Dollar-Scheinen ergebe einen mehr als zweieinhalb Meter hohen Stapel. Das allein schon schafft Probleme, falls man die Scheine selbst aus dem Land schaffen wolle. Das Bankengesetz sieht obendrein vor, daß jeder Export von mehr als 10.000 Dollar den Zollbehörden angemeldet werden muß.

Man muß das Bargeld also als Einnahmen eines legitimen Betriebes ausgeben können - oder man muß eine kooperative Bank finden. Es ist nicht verwunderlich, daß all das heiße Geld, das aus den US-Metropolen vor allem nach Miami fließt, Banken anzieht; Floridas Bankgesetze sind darüber hinaus äußerst locker. Man braucht dort nur zwei Millionen Dollar Kapital, um eine Bank zu eröffnen, während im US-Bundesstaat Ohio sechs Millionen vorgeschrieben sind. Viele Banken in Miami spielten das Spiel der Drogenschmuggler bereitwillig mit und akzeptierten „heißes“ Geld unter der Bedingung, daß sie dafür keine Zinsen zahlen. Sie drückten die Augen zu, wenn ihre Kunden das Bargeld kartonweise zum Hintereingang der Bank schleppten - das Zählen der riesigen Bargeldmengen bringt ein halbes Prozent Gebühr. Van Raab schätzt, daß 1981 mehr als drei Milliarden Dollar bar an Bankschaltern eingezahlt worden sind, ohne den Behörden gemeldet worden zu sein. 1984 sind allein in Miami 5,2 Milliarden Dollar mehr bare Dollars ein- als ausgezahlt worden - ein großer Teil davon, so muß man annehmen'Erlöse aus dem landesweiten Drogengeschäft.

Seit 1984 sind die Gesetze verschärft worden, Bankiers riskieren heftige Strafen, wenn sie Bargeldtransaktionen über 10.000 Dollar nicht anmelden. Diese Obergrenzen zu umgehen, kostet die Geldwäscher immer mehr Mühe, sie müssen immer mehr Helfershelfer zu immer mehr Geldinstituten schicken, um die Notenberge in legitime Zahlungsmittel wie etwa von Banken ausgestellte Barschecks zu verwandeln, damit diese dann von anderen Banken aus auf sichere Konten in Panama oder der Karibik überwiesen werden können.

Auch die Gerichte sind schärfer geworden. Seit 1983 haben Geschworenengerichte immer häufiger die These der Staatsanwaltschaft akzeptiert, daß Geldwäscher und Drogenhändler eine kriminelle Vereinigung mit gemeinsamem Ziel bilden und beide Geschäftspartner mit der gleichen Strafmaß- Elle gemessen werden sollten.

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