Töpfer will Umweltversicherung

Justiz- und Wirtschaftsministerium dagegen: solche Schäden seien nicht versicherungsfähig  ■  Von Kai Nitschke

In seiner Regierungserklärung vom 18.März 1987 hatte Helmut Kohl die Angelegenheit zur Chefsache erklärt: „Eine obligatorische Umwelthaftpflichtversicherung als Ergänzung zu einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung“ müsse, so der Bundeskanzler, geschaffen werden. Eine interministerielle Arbeitsgruppe aus Bundesjustiz- und Bundesumweltministerium machte sich auf Kanzlergeheiß an die Arbeit. Die Beratungen sind inzwischen längst abgeschlossen, nur auf einen gemeinsamen Abschlußbericht kann man sich nicht einigen. Es bestehen immer noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ministerien. Bundeswirtschaftsminister Bangemann, der auch sein Ressort tangiert sieht, steht voll auf der Seite der Wirtschaftslobby und will von einer Änderung des Umwelthaftungsrechts überhaupt nichts wissen.

Das zu lösende Problem liegt klar auf der Hand: Die ordnungsrechtlichen Befugnisse des Staates, verbindliche Grenzwerte für Abwässer oder Abgase festzulegen, reichen nicht für eine effektive Umweltpolitik. Zum einen sind die Grenzwerte schnell überholt, zum anderen die Kontrollmöglichkeiten gering. Ein zivilrechtlicher Haftungstatbestand, nach dem Unternehmen auch in Anspruch genommen werden können, wenn bei Normalbetrieb unter Einhaltung aller Grenzwerte Umweltschäden auftreten, könnte schon eher Abhilfe schaffen. Eine gleichzeitig verordnete Zwangsversicherung für verursachte Schäden würde den Effekt noch verstärken.

Die Versicherungen, so die Überlegungen von Umweltminister Töpfer, würden durch eine Staffelung der Prämien und Kontrollmaßnahmen schon dafür sorgen, daß genügend Druck auf die Betriebe ausgeübt wird. Bundsjustiz- und Bundeswirtschaftsministerium lehnen solche Pläne allerdings ab. Für sie sind Schäden bei Normalbetrieb nicht „versicherungsfähig“, eine sinnvolle Staffelung der Prämien erscheint ihnen nicht möglich. Justiz-Staatssekretär Klaus Kinkel gibt sich überzeugt: „Die Pflichtversicherung kommt nicht.“ Umweltminister Töpfer läßt indes nicht locker, er will sogar noch mehr: „Beweiserleichterung im Kausalitätsbereich“ ist seine Forderung : Es soll jedenfalls in begründeten Einzelfällen, wie etwa der Überschreitung von Grenzwerten, nicht mehr nötig sein, zu beweisen, daß der Schaden eindeutig auf die bestimmte Emission eines bestimmten Betriebes zurückzuführen ist. Auch hier blockt das Bundesjustizministerium ab. Es wird befürchtet, daß damit eine Mithaftung für fremde Emissionen geschaffen werden könnte.

Das größte Problem ist noch völlig ungeklärt: Ein Entschädigungssystem für sogenannte Summations- und Distanzschäden. Es soll ein Ausgleich geschaffen werden für Umweltverschmutzungen, die keinem Einzelnen zugerechnet werden können, die aber trotzdem enorme Kosten verursachen. Das Waldsterben oder der Zerfall historischer Gebäude sind Beispiele, welche bei Juristen Verzweiflung auslösen und für die sie keine überzeugende Lösung anbieten können.