Rakowski lockt Opposition mit Ministersesseln

Polens Parlament bestätigt neues Kabinett / Premierminister Rakowski hält vier Ministersessel für „unabhängige Persönlichkeiten“ bereit / Oppositionelle lehnen Angebot wegen mangelnder Kompetenzzuweisungen ab / Beginn von Verhandlungen weiter unklar  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Unmittelbar vor den ursprünglich für kommenden Montag angesetzten Gesprächen am „runden Tisch“ zwischen der polnischen Regierung und der demokratischen Opposition unter Führung von Lech Walesa ist die Lage in Polen verfahrener und unübersichtlicher denn je.

Das neue Kabinett, das Premierminister Rakowski am Donnerstag im Sejm der Öffentlichkeit vorgestellt hat und das gestern vom polnischen Parlament bestätigt wurde, verstärkt diesen Eindruck noch. Alle wesentlichen Bereiche blieben in den Händen der bisherigen Minister. Allerdings wurden die wirtschaftlichen Schlüsselpositionen Befürwortern radikaler Reformen anvertraut.

Ein bisher einmaliger Präzendenzfall ist die Berufung des erfolgreichen Privatunternehmers Mieczyslaw Wilczek (56) zum Industrieminister. Der Direktor der Handelsgesellschaft „Paged“, Dominik Jastrzebski (46), wurde Außenhandelsminister und der bisherige stellvertretende Industrieminister Andzej Wroblewski (38) neuer Finanzminister.

Der Verbleib Innenminister Kiszcaks mag für die Oppsosition sogar eine gute Nachricht sein, denn daß er weiterhin am runden Tisch sitzen wird, heißt immerhin, daß die Regierung nicht mitten im Rennen die Pferde gewechselt hat. Zugleich ist jedoch klar geworden, daß es Premierminister Rakowski nicht gelungen ist, unabhängige oder von der katholischen Kirche unterstützte Oppositionelle zur Mitarbeit zu bewegen. Versuche dazu hat es gegeben. Wie inzwischen in Warschau bekanntgeworden ist, haben sowohl Aleksander Paszynski als auch der katholische Professor Trzeci Akowski ein Angebot erhalten, in die Regierung einzutreten. Paszynski, ehemals Mitarbeiter Rakowskis in der renomierten Wochenzeitung 'Polityka‘, ist heute freier Unternehmer und als Solidarnosc -Berater für Wirtschaftsfragen aktiv. Professor Trzeciakowsky, der eine zeitlang in Warschau sogar als Anwärter für das Amt des Premier gehandelt wurde, gilt als Vertrauensmann der Kirche und Wirtschaftsexperte.

Trzeciakowskis Ablehnung, in die Regierung einzutreten, ist symptomatisch für Rakowskis Lage. Bevor die Verhandlungen am „runden Tisch“ irgendwelche konkreten Ergebnisse gebracht hätten, könne man sich nicht engagieren. Abwarten heißt die Devise in der Opposition und den unabhängigen Köpfen der Kirche. Ein Eintritt in die Regierung käme einem Vertrauensvorschuß gleich - das Vertrauen muß sich die Regierung aber erst noch am runden Tisch erwerben.

Paszynski spricht Rakowski dabei den guten Willen nicht ab. Viele der Vorschläge, die ihm Rakowski am Telefon gemacht habe, seine vernünftig gewesen. Daß Paszynski dennoch ablehnte, lag auch daran, daß es ihm an den entsprechenden Kompetenzen zu mangeln schien, um seine Vorstellungen in der Regierung auch praktisch durchzusetzen: Angeboten wurde ihm namentlich nur der Posten eines stellvertretenden Ministers für Wohnungsbau.

Paszynski kritisierte zugleich aber auch das Verhalten der Opposition. Sie habe, so Paszynski, angesichts solcher Offerten offenbar keine klare Linie: „Das scheint daher zu kommen, daß die Opposition vom Regierungswechsel überrascht wurde.“ Auch Janusz Zablocki, von der im Sejm vertretenen katholischen Vereinigung Odiss, findet es falsch, daß die alte Regierung so schnell zurücktrat. „Man hätte das tun können infolge der Veränderungen, die bei den kommenden Verhandlungen zu erwarten sind. Dann, wenn die Gespräche Resultate gezeigt hätten, hätte man eine neue Regierung zusammenstellen können.“

Derzeit jedoch, so der Tenor der meisten Stimmen in Polen, sei Rakowski ohnehin nur Chef eines Übergangskabinetts, da schließlich im nächsten Jahr Sejm-Wahlen angesagt sind. Zablocki: „Wir verbinden gewisse Hoffnungen mit den Ankündigungen, es werde dabei auch eine veränderte Wahlordnung geben. Unter der Bedingung, daß das Wahlgesetz entscheidend demokratisiert wird, werden sich dann sicher auch mehrere Unabhängige zum Eintritt in die Regierung bereit finden.“

Einstweilen hält man sich mit solchen Gesten in Richtung der Regierung jedoch noch mindestens solange zurück, bis zu erkennen ist, was diese letztlich vorhat. Paszynski: „Ich habe Rakowski gefragt, ob die neue Regierung die Gespräche ersetzen soll. Er hat sich aufgeregt. Aber ich denke, diese Annahme entbehrt nicht völlig der Grundlage.“ Diese Annahme, ohnehin schon weit in der Bevölkerung verbreitet, wird noch dadurch erhärtet, daß nach wie vor unklar ist, wann die Gespräche nun wirklich beginnen sollen. Zwar wurde der Montag als Verhandlungsbeginn bereits festgelegt, doch gibt es inzwischen Unklarheit darüber, wer mitverhandeln darf. Wie aus Warschauer Oppositionskreisen zu hören ist, habe die Regierung die Teilnahme der Solidarnosc-Berater Adam Michnik, Jacek Kuron und des Solidarnocs-Sprechers Janusz Onyszkiewicz abgelehnt.

Dies wiederum ist für die Solidarnosc-Seite nicht akzeptabel. Lech Walesa, der letztlich die Entscheidung über „seine“ Delegation hat, kann es sich wohl nur um den Preis einer Spaltung der Bewegung leisten, die drei fallen zu lassen.