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Kleinmut

■ Dem Grünen-Vorstand fehlte Radikalität

Im Strafgesetzbuch steht das Delikt nicht, aber für den Vorstand einer Oppositionspartei wiegt es schwer: Kleinmut. Vier Monate zu spät hat die Parteispitze der Grünen die politische Verantwortung für die Vorgänge in „Haus Wittgenstein“ übernommen. Das Selbstbewußtsein, mit dem nun die moralische Legitimität illegalen Handelns vertreten wird, wäre vor vier Monaten ein Befreiungsschlag gewesen. Ein derartiges Bekenntnis zum Zeitpunkt der ersten 'Spiegel‘ -Vorwürfe hätte eine öffentliche Auseinandersetzung in der Partei ermöglicht und das politische Urteil nicht der Medien -Häme überlassen.

Doch der Parteispitze mangelte es an Mut, der öffentlichen Meinung radikal die Stirn zu zeigen. Die sonst als fundamentalistisch verschrieene Vorstandsmehrheit flüchtete sich in taktierende Realpolitik hinter den Kulissen. Welche weiteren Sünden dieser politische Fehltritt nach sich zog, wird noch aufzuklären sein. Für die im Raum stehenden Verdächtigungen, auch wenn sie sich zum Teil als haltlos erweisen werden, hat die Parteispitze aber durch ihr defensives Taktieren selbst den Boden bereitet. Wer einmal mit dem Rücken an der Wand steht, macht gewöhnlich keine gute Figur mehr.

Ambitionierte Rechtsstaatler bei den Grünen mögen nun den Rücktritt des Schatzmeisters fordern und dabei verschämt den Blick von den „Unregelmäßigkeiten“ in den eigenen Landes und Kreiskassen abwenden. Politisch muß sich der Vorstand aber beim heutigen Bundeshauptausschuß dafür rechtfertigen, warum ihm vier Monate lang das Rückgrat abhanden kam.

Charlotte Wiedemann

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